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Ob virtuelle Verbindungen auf die Dauer befriedigen, bleibt offen. Auch auf die Balkonparty ist nur bedingt Verlass. Eindrücke aus Olten.
Die Ausbreitung des Corona-Virus legt in Olten und der ganzen Schweiz Clubs, Bars und Restaurants lahm. Der Bund möchte, dass jeder zu Hause bleibt, damit die Ausbreitung des Virus eingedämmt werden kann. Um das Bedürfnis nach Gesellschaft und Ausgang dennoch irgendwie zu befriedigen, ist Kreativität gefragt.
Am ehesten schickt es sich an, seine Lieblingsmenschen einfach über das Internet in sozialen Medien zu treffen. Mit Skype oder anderen Live-Streaming-Möglichkeiten kann man sich im virtuellen Raum austauschen. Ich treffe mich am Donnerstagabend nach überstandenem Home-Office mit ein paar Freunden auf ein Feierabendbier (Fübi) in der App «Houseparty». Bis zu acht Personen werden gleichzeitig auf dem Bildschirm meines Smartphones angezeigt. Nach zwei Wochen Selbstquarantäne und minimalem Menschenkontakt fühlt es sich fast an wie echtes Fübi – ruckelige Verbindungen mal ausgeblendet.
Dass Streaminganbieter gerade einen rasanten Anstieg an Nutzern erleben, überrascht wenig. Doch alleine Gamen oder Filmeschauen macht nur halb so viel Spass. In der Gamewelt sind Chaträume über Anbieter wie Discord oder Twitch längst etabliert. Auch hier treffe ich ein paar Freunde online, und wir quatschen über unsere Erfolge im Spiel, das Weltgeschehen und ärgern uns über Leute, die sich nicht an die Vorschriften des Bundes halten. Normaler Small Talk halt, aber richtig Feiern sieht anders aus.
Auch Filmeschauen muss man in der Selbstquarantäne nicht mehr alleine. Mit einer kleinen Erweiterung für den Browser schaue ich einen Film auf Netflix mit meiner Liebsten. Start und Pause sind synchronisiert und in einem Chatfenster lassen wir uns über die schauspielerische Leistung der Hauptdarsteller aus.
Die ultimative virtuelle Socializingerfahrung habe ich aber mit einer Virtual-Reality-Brille bei einer Kollegin erlebt. Aus der warmen Stube heraus schleiche ich mich in eine Kinovorstellung, diskutiere in der Lobby oder treffe mich in einem Penthouse mit Discokugel und lauter Technomusik. Erinnert mich entfernt ein bisschen ans Terminus. Nur trinken ist etwa schwierig, wenn man nur seine virtuellen Hände sieht. Mein Bedürfnis nach Ausgang ist nicht gestillt.
Moderne Technologien bieten wunderbare Möglichkeiten, aber trotzdem fehlt mir dabei etwas das Menschliche. Ich mag es, Menschen in der realen Welt zu treffen und mich real auszutauschen. Virtuelle Räume kommen diesem Gefühl zwar bereits extrem nahe, dennoch fehlt das gewisse Etwas. Auf den sozialen Medien bin ich dann auf Videos aus Italien und Spanien gestossen, in denen sich Nachbarn auf ihren Balkonen sammeln, ein improvisiertes DJ-Set auflegen, lässige Lichtanlagen installieren und zusammen in die Nacht feiern. Das kann Olten auch!
Einen Lautsprecher auf den Balkon gestellt, die richtige Playlist gewählt, Kiste Bier, farbige Ballons und die versammelte WG mit den Nachbarn auf ihren Balkonen: Fertig ist der Oltner Balkonrave – socialdistancing- und quarantänekonform. Vielleicht war es am Samstagabend etwas zu kühl und die Anwohner haben sich deshalb nur zögerlich auf den Balkon getraut. Den einen oder anderen Blick vom gegenüberliegenden Balkon gab es aber allemal. Vielleicht sind die ja dann nächstes Wochenende selber auf dem Balkon und wagen ein Tänzchen. Auch wenn die verbale Kommunikation von Balkon zu Balkon nur schwer möglich ist, so fühlt man sich dennoch ein bisschen näher beieinander und kann die drohende Einsamkeit etwas durchbrechen.