Judith Baisotti
Oltner Medium überbringt Nachrichten aus dem Jenseits

Jeder Mensch ist fähig, Verstorbene zu spüren – davon ist das Oltner Medium Judith Baisotti, das seit dem Kindsalter Verstorbene als Seelen sieht, überzeugt. Man müsse es nur zulassen und üben.

Deborah Onnis (Text und Foto)
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In ihrem «Arbeitszimmer» in Olten vermittelt Judith Baisotti zwischen Personen aus dem Diesseits und dem Jenseits.

In ihrem «Arbeitszimmer» in Olten vermittelt Judith Baisotti zwischen Personen aus dem Diesseits und dem Jenseits.

«Das ist keine Zauberei», sondern für Judith Baisotti das Normalste auf der Welt. In ihrer Wohnung im dritten Stock eines Wohnblockes in Olten riecht es nach Lavendel-Räucherstäbchen. Das ist aber auch das einzige Esoterische in der Wohnung. Bunte Kinderzeichnungen verzieren die Wände im Eingangsbereich sowie im Zimmer, das Judith Baisotti als ihr «Arbeitszimmer» bezeichnet. Das Tageslicht erhellt den Raum mit wenigen Möbeln und vielen kleinen Gegenständen, die sich zusammengewürfelt auf den Abstellflächen verteilen, wie auf einem Flohmarkt. Nur auf einem kleinen Tischchen findet sich am Rande, vor einer Zimmerpflanze und einer kleinen Engelsstatue, Platz, um ein Glas Wasser abzustellen.

Um mit Verstorbenen...

...zu sprechen, die, wie Baisotti erklärt, in einer «Gedankenwelt» leben, braucht sie keine Hilfsmittel. Keine Kerzen, Karten oder Kugel. «Ich kann keine Geister beschwören oder rufen. Wenn sie wollen, kommen sie einfach vorbei», so Baisotti, die sich als Medium bezeichnet. Die entsprechenden Seelen wüssten aber häufig, wenn sie gesucht werden. Judith Baisotti, die mit einem 50-Prozent-Pensum als Pflegerin arbeitet, stellt sich in ihrer Freizeit – je nach «Bedarf» – als Botschafterin von Verstorbenen zur Verfügung. Bezahlt werden will sie dafür nicht. «Man darf aber etwas in mein Kässeli einwerfen», sagt sie.

An einer «Sitzung» könne sie keine Garantie dafür geben, dass die entsprechende Seele wirklich vorbeikommt und etwas mitteilen will. Seelen würden sich die Vermittlungsperson selber aussuchen: «Wenn ich keine sogenannte Entsprechung für die verstorbene Person habe, wird sie nicht erscheinen.» Das sage sie allen Personen, die sich für eine Kontaktaufnahme bei ihr melden. 10 bis 12 Anrufe sind es durchschnittlich in den Wintermonaten. Im Rest des Jahres seien es dann deutlich weniger. «Ab und zu melden sich Menschen, die geliebte Person plötzlich verloren haben, durch einen Unfall zum Beispiel», sagt sie. Dann passiere es häufig, dass die Hinterbliebenen eine Möglichkeit suchen, um ungeklärte Dinge mit dem Verstorbenen zu bereinigen.

«Erscheint die Seele...

...an der Sitzung kann ich der Person einfach das Weitergeben, was der Verstorbene sagt», erklärt Baisotti. Dies könne manchmal auch wenig Erfreuliches sein. «Zum Beispiel, wenn ein verstorbener Mann seiner Frau beichtet, dass er ihr zu seinen Lebzeiten untreu war», erzählt sie. Es seien deshalb schon viele wütend aus ihrem «Arbeitszimmer» gerannt. «Da kann ich aber nichts machen», sagt sie lachend. «Ich bin sozusagen nur die Postbotin.» Manchmal würden auch andere Verstorbene erscheinen, die etwas mit dem «Kunden» zu tun haben. «Und oft sind das genau die Personen, die die gewünschte Lösung zu einem Problem kennen beziehungsweise bei einer psychischen Blockade weiterhelfen können», so Baisotti.

Das heisse aber nicht, dass sie zu jeder Frage eine Antwort wüssten. «Es gibt Kunden, die dann wegen jeder Entscheidung zu mir kommen», sagt sie. «Und verwechseln mich wohl mit einer Wahrsagerin», sagt sie lachend. In solchen Fällen verweise sie die Kunden an einen Psychologen.

Ab und zu blickt...

...die 57-Jährige unauffällig kurz in eine Ecke, als würde sie jemandem direkt in die Augen schauen. «Wenn ich als Kind Verstorbene sah, dachte ich, dass mein Umfeld das Gleiche sah.» Lange meinte sie, dass Verstorbene einfach Leute sind, die unter uns leben, aber mit denen man einfach nicht spricht und sie ignoriert. «Die wenigen Male, die ich das Thema ansprach, wurde ich nicht ernst genommen», sagt sie. Also beschloss sie als Mädchen, «es» für sich zu behalten. «In den 70er-Jahren war die Gesellschaft auch nicht so offen wie heute, was das Thema angeht», sagt sie.

Zu jener Zeit verbrachte sie einen Sommer auf einem Bauernhof. «Der Bauernsohn kam dann eines Morgens schreiend ins Haus, weil er seinen verstorbenen Grossvater in der Scheune gesehen hatte», erzählt sie. Seine Familie habe ihn dann kurz darauf in eine Psychiatrische Klinik eingewiesen. «Dieses Ereignis bestärkte mich darin, lange niemandem etwas zu sagen», so Baisotti.

Mittlerweile «lebt» die 57-Jährige, wie sie sagt, die Medialität in ihrem Alltag. Ihre Fähigkeit funktioniere quasi wie ein Schalter. «Wenn ich mich darauf einlassen will, ‹klinke› ich mich auf der ‹anderen Seite› ein», sagt sie. Mit den Seelen wolle sie nicht immer sprechen. «Es gibt oft Momente, da muss ich mich auf das konzentrieren, was ich gerade mache», sagt sie. Dann weise sie die Seelen einfach ab. «Jetzt nicht», sage sie ihnen. Und das reiche, um wieder Ruhe zu haben. Ganz unterschiedliche Seelen würden sie besuchen. Es gibt viele, die laut Baisotti nicht verstehen, dass sie tot sind. Vor allem solche, die plötzlich gestorben sind. Diese Seelen würden dann wütend umherirren, weil niemand mit ihnen spricht. Es gebe aber auch Seelen, die sich nicht von ihrem Umfeld lösen wollen. «Häufig sind das zum Beispiel Führungspersonen. Sie haben nach dem Tod manchmal noch das Gefühl, dass die Firma sie braucht, und es ohne sie nicht weitergeht», sagt sie.

«Was ich mache...,

...ist nichts Aussergewöhnliches», so Baisotti. «Alle haben diese Fähigkeit – nur wenige wissen diese aber zu nutzen.» Zum Beispiel Kinder, meist unbewusst. Im Erwachsenenalter hingegen würden unerklärliche Gefühle, die häufig auf eine geistige Präsenz hinweisen, verdrängt. «Der Verstand nimmt dann immer mehr Überhand», erklärt sie. «Wenn man plötzlich das Gefühl hat, den verstorbenen Grossvater neben sich zu spüren, ist das meist nicht ein Fantasiegespinst, sondern er ist wirklich da», sagt sie. Es gebe einfache Methoden, um diesen Spürsinn bewusst zu nutzen. Und dazu versuche sie auch die Menschen zu motivieren, zum Beispiel durch Schnupper-Events, die sie mit anderen medialen Menschen organisiere. Je mehr Leute mit Verstorbenen kommunizieren könnten, desto besser: «Es gibt auf der ‹anderen Seite› sehr viel zu tun.»