Erstmals seit Jahren droht der Oltner Innenstadt so etwas wie der «Marroninotstand» im Winterhalbjahr. Kein einziges Gesuch für einen Marronistand wartet derzeit auf eine Bewilligung.
Dass sich jemand auf der Redaktion meldet, um seiner Sorge über den Verbleib des «städtischen Marronimanns» Ausdruck zu verleihen, kommt doch eher selten vor. Aber: vor kurzem so geschehen. Denn der Marronimann vom Dienst, Yousef Bitar, weiss noch nicht, ob er in diesem «Amt» weitermachen will.
Sein alter Standplatz am westlichen Kopf der Holzbrücke steht seit längerem nicht mehr zur Verfügung, alternative und gut frequentierte Standplätze in der Innenstadt sind Mangelware. Der Anrufer jedoch schlägt – wenig überraschend – als neuen Standort gleich die Kirchgasse vor. «Das wäre doch sicher noch gut dort», meint er. Immer ein bisschen Betrieb auf der Gasse und: «Ein Marronimann würde doch dem Raum das vertraute typische Flair verleihen.»
Warum eigentlich nicht
Kirchgasse; ja, warum denn nicht? «So wies aussieht, kommt die Kirchgasse dafür eher nicht infrage», sagt Andreas Minder, Chef der städtischen Gewerbepolizei. Aber bislang habe er gar kein Gesuch für den Betrieb eines Marronistandes auf dem Pult liegen. Die Kirchgasse sei regelmässig für den donnerstäglichen Marktbetrieb vorgesehen und langfristig platzierte Objekte würden mit Sicherheit die Marktregie tangieren. Und: «Ich gehe davon aus, dass der Marronistand sicher länger als drei Monate stehen bleibt», so Minder. Dann brauche es hiefür sowieso ein Baugesuch.
Aber zurück zur Kirchgasse: Im Leitfaden zur Nutzung des öffentlichen Raums im fraglichen Gebiet etwa ist auch nachzulesen, dass dort Öfen und Grills nicht erlaubt sind. Ebenfalls untersagt sind explizit Pizzaöfen und andere Feuerstellen im Freien. Da dürfte es also Schwierigkeiten geben. Zudem, so Minder werde die Gewerbepolizei im Allgemeinen mit Anfragen für Imbissbuden und Snackständen regelrecht eingedeckt. «Die Stadt ist mit diesbezüglichen Genehmigungen sehr zurückhaltend, nicht zuletzt mit Rücksicht auf das örtliche Gewerbe.»
Und auf die Ansiedlung solcher Einrichtungen auf der Kirchgasse angesprochen meint er, man wolle von Präjudizien Abstand nehmen. «Bewilligen wir den einen, so wird die Ablehnung eines andern schwierig.» Der Entscheid allerdings würde nicht allein von der Gewerbepolizei, sondern in Absprache mit der Bau- und Sicherheitsdirektion gefällt. «Aber wie gesagt, bislang liegt kein Gesuch für einen Marronistand vor», betont der Chef der Gewerbepolizei.
«Immer mehr schlecht»
Und Yousef Bitar? «Stimmt. Die Bewilligung für meinen jetzigen Standplatz hier am westlichen Kopf der Bahnhofbrücke läuft Ende Oktober aus.» Mit seiner bisherigen Saison als Glacéverkäufer ist er alles andere als zufrieden, dafür holt er die Energierechnung hervor, die zu begleichen ist. «Juni, Juli, August und September – immer mehr schlecht», radebrecht der Syrer. Ob er Anfang November als Marronimann zu Stelle sein wird, bleibt offen.
Aber ganz hoffnungslos lässt der Mann die Marroniliebhaber der Stadt doch nicht zurück. In seinem weissen Container hält er einen Prospekt für Verkaufsstände bereit. Darüber sinniert der 70-Jährige, wenn keine Kundschaft wartet. Zeit dazu hat er genug. Verkaufsstände aus Holz, so wie man dies eigentlich von einem Marronistand erwartet, fesseln seinen Blick. Und wo aufstellen? Bitar zuckt mit den Schultern. Wenn er überhaupt ein Gesuch einreiche, dann für seinen jetzigen Standplatz oder aber dann für einen auf der Holzbrücke. Es zieht ihn offensichtlich zurück an den Ort, wo er einst wirkte. «Kann man bei Ihnen im November Marroni kaufen?», so die finale Frage. «Vielleicht hier, vielleicht auf der alten Brücke oder aber bei mir zu Hause», antwortet er lächelnd und blickt vielsagend über die Aare.