Olten
«Wirtschaftszmorge» der jungen Wirtschaftskammer im Hotel Olten: Der Lohn ist nicht das Wichtigste

Am gestrigen «Wirtschaftszmorge» der jungen Wirtschaftskammer im Hotel Olten drehte sich alles um das Thema «Fachkräftemangel».

Fabio Baranzini
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Die Nationalrätin der Grünen, Franziska Ryser, fordert mehr Angebote für ältere Arbeitnehmende.

Die Nationalrätin der Grünen, Franziska Ryser, fordert mehr Angebote für ältere Arbeitnehmende.

Fabio Baranzini

Eigentlich hätte die 14. Ausgabe des «Wirtschaftszmorge» bereits im vergangenen Oktober stattfinden sollen. Corona kam dazwischen, der Anlass wurde verschoben. Gestern nun fand er mit Livestream und Zertifikatspflicht für die rund 80 anwesenden Personen endlich statt. «Nach eineinhalb Jahren Vorbereitung und einigem Hin und Her mit kurzfristigen Anpassungen», wie Reto Huber von der jungen Wirtschaftskammer Olten (JCI Olten) und Hauptverantwortlicher für die Organisation des Events anmerkte.

Flexibilität war nicht nur von den Organisatoren gefragt. Flexibilität war auch einer der Begriffe, die im Verlauf des Morgens in den Inputreferaten und Podiumsgesprächen mit am häufigsten fiel. Thema war der Fachkräftemangel.

Gute Arbeitsatmosphäre ist der Schlüssel

Im Zentrum standen dabei zwei Fragen: Was sind die Gründe für den Fachkräftemangel? Und was kann man dagegen tun? Michael Siegenthaler von der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich brachte einige Ursachen für den Fachkräftemangel ins Spiel. Unter anderem die fehlenden Ausbildungsplätze, die Tatsache, dass die Babyboomer-Generation jetzt in Pension geht und so für viele offene Stellen sorgt und die geringe Attraktivität der Arbeitsplätze in gewissen Branchen.

Vor allem der letzte Punkt gab Anlass zu Diskussionen. Denn: Was macht einen Arbeitsplatz überhaupt attraktiv? Auch auf diese Frage lieferte Siegenthaler eine Antwort:

«Unsere Forschung zeigt, dass eine gute Arbeitsatmosphäre und ein gutes Verhalten der Vorgesetzten die wichtigsten Punkte sind, wenn es um die Zufriedenheit der Mitarbeitenden geht – noch wichtiger als der Lohn.»

Auch ein Papitag für Bauarbeiter

In dieselbe Richtung tendierte auch Yves Schneuwly, Geschäftsführer der Onlineplattform «coople», der grösste digitale Personalverleih der Schweiz. «Die Arbeit steht nicht mehr im Zentrum des Lebens. Die Arbeit ist ein Puzzleteil des Lebens, aber im Zentrum steht das Leben selbst. Die Mitarbeitenden wollen mehr Autonomie, wollen für einen Zweck arbeiten, der für sie wichtig ist. Und sie wollen Flexibilität.»

Da sind wir also bei der Flexibilität angelangt. Ein Thema – da waren sich alle Beteiligten des «Wirtschaftszmorge» einig –, das bei der Suche nach Fachkräften enorm wichtig ist. Bruno Fuchs, Präsident des Baumeisterverbandes Solothurn, sagt:

«Wir Arbeitgeber müssen attraktiver werden. Es muss auch in der Baubranche möglich sein, einen Papitag zu machen. Natürlich wird dadurch die Organisation für uns auf der Baustelle schwieriger, aber es ist möglich. Denn eines ist klar: Wir müssen flexibler werden. Wenn wir Freizeit, Arbeit und Familie nicht verbinden können, haben wir verloren.»

Corina Dreier-Gebauer ist Gründerin und Geschäftsführerin der Kinderkrippe «easy-kid-care». In Olten und Egerkingen stellt sie mit ihrem Team 106 Betreuungsplätze zur Verfügung. Und zwar flexible Betreuungsplätze.

«Bei uns kann man Early-Bird-Betreuung und Abendbetreuung buchen. So wollen wir flexibel sein für Eltern, die erwerbstätig sind», sagt Dreier-Gebauer. Sie selbst ist – genau wie Fuchs auch – in einer Branche tätig, die vom Fachkräftemangel betroffen ist. Deshalb setzt sie sich aktiv für ein gutes Arbeitsklima ein. «Fünf Wochen Ferien und bezahlte Ausbildungstage gehören dazu», sagt sie.

Mit Digitalisierung gegen Fachkräftemangel

Das zweite grosse Thema neben der Flexibilität war die Diskriminierung – ebenfalls aufgebracht von Michael Siegenthaler. «Wir haben festgestellt, dass im Rekrutierungsprozess verschiedene Gruppen diskriminiert werden. Das sind einerseits Ausländerinnen und Ausländer, Frauen in Männerberufen und umgekehrt, sowie Männer, die Teilzeit arbeiten wollen. Und die ältere Generation», sagt Siegenthaler.

Ein Input, den Franziska Ryser, Nationalrätin der Grünen aus dem Kanton St. Gallen, aufnahm. «Wir müssen mehr Angebote schaffen für Personen, die schon etwas älter sind und sich umschulen lassen möchten.» Diesbezüglich sieht auch Bruno Fuchs in der Baubranche Handlungsbedarf.

«Wir müssen unbedingt mehr tun für Umsteiger und Quereinsteiger. Das Potenzial nutzen wir noch zu wenig.»

Obwohl im Verlauf der Diskussion viele Denkanstösse und Handlungsansätze genannt wurden, formulierte Michael Siegenthaler eine Zukunftsprognose, die neben der Steigerung der Flexibilität und der Bekämpfung der Diskriminierung in der Rekrutierung noch einen weiteren Punkt aufgriff. Die Digitalisierung:

«Ich gehe davon aus, dass der Fachkräftemangel in der Schweiz einer der wichtigsten Treiber der Digitalisierung und der Automatisierung sein wird. Denn, wenn wir nicht genügend Fachkräfte finden, müssen wir diese Stellen durch Digitalisieren und Automatisieren ersetzen.»