Startseite
Solothurn
Olten
In ihrem Klavierrezital im Oltner Konzertsaal begeisterte die Deutsch-Russin Olga Scheps mit Werken ihrer Lieblingskomponisten.
Gleich die ersten, kraftvoll hingeschlagenen Töne setzten wuchtige Akzente: Die deutsch-russische Pianistin Olga Scheps verfügt über immense Kraft und Energie. Die sogenannte «Wanderer-Fantasie», op. 15, C-Dur, gilt als eines der anspruchsvollsten Werke Franz Schuberts. Und es ist beileibe kein leichter pianistischer Spaziergang.
Nach dem furiosen «con fuoco»-Auftakt im 1. Satz wechselt der Komponist mit dem gleichen musikalischen Motiv, das er der früher komponierten Liedversion entnommen hat, in ein melancholisches und eher ungewöhnliches Cis-Moll. Eben noch ist der Wanderer ungestüm vorwärtsgestürmt, um dann im gefühlvollen Adagio gemächlich voranzuschreiten. Es gelang Olga Scheps vortrefflich, uns diese elektrisierende Spannung näher zu bringen.
Pure Poesie anschliessend in den «Trois Gymnopédies» von Erik Satie. Der Komponist spielt in den drei kurzen Stücken auf die Tänze spartanischer Jünglinge an, die vor einer
Apollostatue ihre in der Schlacht gefallenen Freunde ehren. Die melancholische Kargheit, die schlichte Tiefe dieser Kompositionen vermochte die junge Pianistin in poetischer Schönheit wiederzugeben. Behutsam, unglaublich sanft setzte sie die Töne – man wagte kaum mehr zu atmen.
Auch wenn es in «Me Too»-Zeiten nicht von allen goutiert werden sollte, muss es dennoch gesagt werden: Olga Scheps ist eine aussergewöhnlich attraktive Frau. In ihrem langen schwarzen Kleid, die dunklen Haare zum Dutt hochgebunden, betrat sie in flachen Schuhen und schnellen Schrittes die Konzertbühne und füllte sie sogleich völlig aus – der grosse Steinway-Konzertflügel wurde neben ihr zum blossen Requisit. Gutes Aussehen und eine charismatische Ausstrahlung sind neben Talent und Fleiss im heutigen Klassikbetrieb wichtige Voraussetzungen für Erfolg. Olga Scheps verfügt über all dies: Die 31-jährige Künstlerin hat vor 17 Jahren als Teenager debütiert und seither bereits sieben CDs eingespielt. Während ihres Musikstudiums gab sie weltweit Konzerte, erhielt Preise, machte hochdotierte Werbung für teure Uhren und Autos und trat öfters im Fernsehen auf.
Sie scheute denn auch nicht davor zurück, in ihr Konzert die populäre «Nussknacker-Suite» von Peter Tschaikowsky aufzunehmen, aber gleichzeitig war ihre Interpretation der zuckersüssen Ballettmelodien ein Musterbeispiel, das frisch und unverbraucht klang. Unglaublich! Auch bei den Zugaben durfte sich das Publikum am Schluss des Konzertes am Donnerstagabend und vor der Standing Ovation nochmals an Satie und Tschaikowsky erfreuen.
Nach der Pause bot Olga Scheps mit gleich zwei Klaviersonaten von Sergei Prokofjew weniger Bekanntes, weniger Gefälliges. Die Sonate Nr. 2, op. 14 von 1914 hat trotz vieler Moll-Klänge etwas Heiteres, erinnert mit den tanzbaren Rhythmen an volkstümliche russische Feste. Die ungewöhnliche Klangwelt kommt dem Temperament und wohl auch dem Naturell der Künstlerin sehr entgegen. Auch hier arbeitete sie die dynamischen Gegensätze stark heraus, intensive, intime Momente standen lautstarken Ausbrüchen gegenüber. Seine virtuose, mit dem Stalin-Preis ausgezeichnete Klaviersonate Nr. 7, op. 83 komponierte Prokofjew fast 20 Jahre später mitten im 2. Weltkrieg. Ohne allzu viel hineininterpretieren zu wollen: Dieses Meisterwerk nimmt den kriegerischen Zeitgeist auf. Die ratternden Rhythmen passen ins musikalische Universum der Pianistin Olga Scheps, die Eleganz, Kraft und Poesie zu vereinen vermag.
Für ein Rezital war der Konzertsaal Olten wie üblich knapp zur Hälfte besetzt. Alle, die nicht da waren, haben eine Sternstunde des Musizierens verpasst.