Neues Album
Oltner Singer-Songwriter Martin Schaffner: «In der Schweiz hören die Leute meistens nicht auf die Texte»

Anfang Jahr brachte der Oltner Singer-Songwriter sein neues Album «Rising Tide» heraus. Er sagt, warum er sich mit schweizerdeutschen Songs nur langsam anfreundet.

Loriana Zeltner
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«Rising Tide»: So nennt sich das neue Album von Singer-Songwriter Martin Schaffner.

«Rising Tide»: So nennt sich das neue Album von Singer-Songwriter Martin Schaffner.

Zvg / Patrick Lüthy

Martin Schaffner führt die Web-Agentur Webcontext in Olten. Als Veranstalter von «Next Stop Olten» belebt er die lokale Musikszene, indem er Auftritte verschiedenster Musikerinnen und Musiker organisiert. Doch er passt nicht ins klassische Bild «Bürogummi am Tag, Rockstar bei Nacht».

Musik und Tagesgeschäft verschmelzen

Und das liegt nicht nur an seiner Vorliebe für akustische Musik: «Weil ich von zu Hause aus arbeite, verschmelzen Musik und Tagesgeschäft. In kleinen Pausen greife ich gerne einmal zur Gitarre und übe ein paar Takte ein», so der 62-Jährige. Schliesslich wolle man für spontane Gigs und Aufnahmen allzeit bereit sein, als Musiker mache sich die Vorbereitung auf den letzten Drücker nicht gut.

Drohende Flut und abhebender Flugpionier

Das neue Album ist ein Doppelpaket für alle, die noch CDs hören: Das Album «Rising Tide» enthält zehn englische Songs, dazu gibt’s die EP «Junge Maa vo Langebrugg» mit drei schweizerdeutschen Tracks.

Inspiriert wurde Schaffner als Aviatik-Fan vom Baselbieter Flugpionier Oskar Bider, denn die frühe Geschichte der Luftfahrt habe ihn schon immer fasziniert: «Ursprünglich wollte ich ein Musical über die Zeit der Flugpioniere schreiben – daraus wurde aber nichts. Jetzt widmete ich der Idee wenigstens ein Lied», lacht Schaffner. «Man kann die Parallele zur Musik ziehen: Die Flugpioniere waren gewissermassen die Rockstars dieser Zeit. Sie lebten draufgängerisch, lösten eine gewaltige Begeisterung aus und verstarben jung – sie wurden zur Legende.»

Am Titel «Rising Tide» gefällt dem Musiker die Symbolik am besten. Der Titel löse Bilder aus: Die steigende Flut habe etwas Bedrohliches. Es sei nicht ganz klar, ob die Gitarre auf dem Cover untergehe oder sich gerade so knapp noch über Wasser hielte. Mit der Titelwahl wollte Schaffner verhindern, voreilig in ein Genre einsortiert zu werden:

«Ich möchte nicht gleich in die Country-Schublade gesteckt werden.»

Fürs Albumcover durfte übrigens die eigene Martin-Gitarre Modell stehen.

Ein etwas anderes Musikprojekt

Das Album wurde dezentral aufgenommen. Was heisst das für einen Musiklaien? «Die Tonspuren wurden alle in den Home-Studios der verschiedenen Musiker eingespielt, nicht in einer Session im Tonstudio. Als Grundlage dienten meine Demos, sie gaben Tonart, Tempo und Form vor. Was von den Musikern zurückkam, war für mich ein Überraschungspaket», klärt Schaffner, Gatte von Regierungsrätin Susanne Schaffner, auf.

Auf dem Album sind als Instrumentalisten drei Musiker zu hören: Ehepaar Jeff und Tammy King aus Nashville und Brian Pruitt. «Die Kings waren eine Empfehlung von Schlagzeuger Brian, der mit ihnen befreundet ist. Ich kannte sie vorher nicht. Weil sich die drei aber gut kennen, klingt bei den Aufnahmen ein Band-Sound durch.» Als Zweitstimme neben Schaffner prägt Alexandra Lüthy das Klangbild mit.

Nur auf den ersten Blick umständlich

Auf den ersten Blick erscheint die dezentrale Aufnahmeart umständlich. Für Schaffner war sie ein Glücksfall: «Normalerweise laufen Aufnahmesessions in den USA durchstrukturiert ab. Es gibt einen abgesteckten Zeitrahmen fürs Einspielen. Am Ende der Session wird genommen, was man eben hat. In ihren Home-Studios nahmen sich die Musiker mehr Freiheiten und spielten Parts so lange ein, bis sie damit zufrieden waren.»

Ausserdem hätte das Ganze sowieso mehr einem Pilotprojekt geglichen als einem geplanten Album und sei über mehrere Monate hinweg entstanden: «Ich sendete ihnen zuerst nur einen Demo-Track zu. Was zurückkam, gefiel mir so gut, dass wir es 13 Runden durchzogen.» Auffällig ist, dass die beiden Sprachen im neuen Album strikt getrennt werden: CD 1 Englisch und CD 2 Mundart.

Mit dem Gesang in der Muttersprache tut sich Schaffner schwer: «Ich brauchte lange, bis Singen auf Schweizerdeutsch für mich eine gewisse Natürlichkeit bekam. Unsere Dialekte sind sehr regional und fühlen sich für Zuhörer nur kleinräumig heimisch an. Wenn ich mich nur wenige Kilometer von meinem Zuhause entferne, finden andere schon, ich spreche seltsam. Ausserdem habe ich den Eindruck, gewisse Leute berühre es komisch, wenn Musik gar zu persönlich daherkommt – wenn man plötzlich jedes Wort versteht. Aber die jüngere Generation hat weniger Mühe mit schweizerdeutscher Musik.»

Musik machen heisst auch Kritik einstecken

Wer seine Musik veröffentlicht, setzt sich der Kritik aus, nicht zuletzt auch der eigenen. Schaffner steht mit seinem inneren Kritiker auf gutem Fuss: «Normalerweise bin ich nie zufrieden mit meinem Zeug. Man findet immer Sachen, die man hätte besser machen können. Aber meine Musik ist handwerklich auf einem guten Level. Es hat ein paar eingängige Songs auf dem Album, doch es ist kein trendy Hit darunter und das ist auch gut so. Eigentlich finde ich die Stimme des inneren Kritikers berechtigt. Ich beneide Menschen ohne Selbstzweifel nicht wirklich, schliesslich hilft Unzufriedenheit einem dabei, weiterzukommen.»

Das Album «Rising Tide» ist auf den üblichen Streaming-Plattformen digital erhältlich und kann als CD in der Buchhandlung Klosterplatz in Olten gekauft werden.