Olten
Nach 79 Jahren verstummen im Jodlerklub Säli die Stimmen

So fest, so flott, so stolz wie die alte Burg ob Olten sollte der Jodlerklub Säli daherkommen. So wünschte es sich der Aktuar der Gündungsversammlung. Es sollte anders kommen: Mitgliederschwund und Überalterung machen dem Verein jetzt des Garaus.

Urs Huber
Drucken
Damals noch voll im Saft: der Jodlerklub Säli Olten in einer Aufnahme von 1996; oberste Reihe, zweiter vor links: Max Riszvg

Damals noch voll im Saft: der Jodlerklub Säli Olten in einer Aufnahme von 1996; oberste Reihe, zweiter vor links: Max Riszvg

zvg

Sein (vorläufiges) Ende hat sich abgezeichnet. Steter Mitgliederschwund, zu wenig frische Kräfte. Aktuell stehen dem Jodlerklub Säli Olten noch zehn Stimmen zur Verfügung. Ende Januar nun hat die Generalversammlung beschlossen, den Vereinsbetrieb einzustellen.

Die Nachricht kommt vom Präsidenten persönlich. Der 1935 gegründete Jodlerklub Säli Olten verstummt; knapp vor seinem Achtzigsten, wie man so schön sagt. Vorläufig mal, denn an eine Vereinsauflösung will die Säli-Jodlerin und der Säli-Jodler noch nicht denken.

Zu frisch noch sind die guten Erinnerungen an all die speziellen Ereignisse, die nur schon die letzten zehn Jahre prägten: Jodlermessen, Heimet-Obe, Jodlerfeste in der Nordwestschweiz. Max Ris, der Präsident, seufzt. Mit seinen 75 Lenzen liegt er altersmässig im Durchschnitt der insgesamt noch zehn Jodlerinnen und Jodler vom Säli.

Fast immer im Vorstand

Ris selbst ist seit 21 Jahren dabei. 20 davon wirkte er im Vorstand, zwei Mal wurde er gar zum Präsidenten gewählt. Letztmals im Jahr 2010, erstmals für die Jahre 2001 bis 2007.

«Ja, was wollen Sie», meint er halb fragend halb antwortend. «Wenn ich rechne, sind seit meinem ersten Amtsantritt 2001 fünf neue Sängerinnen oder Sänger aufgenommen worden.»

Das sei natürlich viel zu wenig. Dabei habe man stets mögliche Kandidatinnen und Kandidaten im Auge gehabt, angeschrieben. «Zwecklos», resümiert Max Ris, der selbst in Wangen wohnt.

Kein einziges Vereinsmitglied wohnt mehr in Olten, allesamt kommen sie aus der Umgebung. Im Rückblick fällt ihm auf, dass nach der Jahrtausendwende der Publikumsaufmarsch bei Heimatabenden im Konzertsaal Olten doch merklich nachgelassen hatte.

Nicht zuletzt aus diesem Grund hat der Jodlerklub Säli im letzten Jahr auf die Durchführung von Heimet-Obe und Adventskonzert verzichtet, wie dem präsidialen Jahresbericht zu entnehmen ist. Und: Auch stimmlich erwies sich die zehnköpfige Zusammensetzung als nicht geeignet.

So hatte man sich bereits im letzten Jahr mit auswärtiger Verstärkung präsentieren müssen. «Mit Zuversicht konnten wir die Jodlermessen erfolgreich und zur Zufriedenheit aller Beteiligten und den Gottesdienstbesuchern durchführen», erzählt der Jahresbericht. Und nun das vorläufige Ende: «Ein bitterer Moment, als Präsident die Vereinsaktivitäten eingestellt zu sehen, räumt Ris ein.

Ende in Aarburg - Anfang in Olten

Das Schicksal will es, dass der Anfang des Jodlerklub Säli mit dem Ende des Jodlerklub Aarburg einherging. Damals im Frühling 1935 galten die Aarburger als «flügellahm», stellten ihren Betrieb mangels Interesse ein und übrig blieben ein paar Hartgesottene, die weiterhin einem seriösen Jodelbetrieb zu frönen bereit waren.

Im August 1935 gründeten sie ihren eigenen Verein mit Sitz in Olten. Zwei Namensvorschläge standen bei der Gründungsversammlung zur Wahl: Jodlerklub Säli Olten oder Jodlerklub Drei Tannen Olten.

Elf Stimmen entfielen auf Variante Säli, lediglich eine auf die Variante Drei Tannen. Und so schrieb der Protokollführer damals: «Hoffen wir, dass der Klub so fest, so flott und so stolz wie die alte Burg ob Olten für immer bestehen wird.»

Knappe 80 Jahre sollte die als Wunsch deklarierte Prophezeiung hinhalten. Und noch zum 25. Geburtstag des Vereins, der mit einem Jubiläumsheimatobe im November 1960 begangen wurde, liessen sich die Verantwortlichen zitieren: «Es ist nicht leicht, Aktivmitglied des Jodlerklubs Säli zu werden, noch schwerer es zu bleiben. Nicht allein ein guter Leumund und eine gute Stimme sind Voraussetzungen, sondern es muss auch zu grossen Opfern und Zeit bereit sein.»

Wohl wahr. «Ich verstehe die Jungen schon», sagt Max Ris. Die Mitgliedschaft in einem Verein sei halt immer auch bindend. Und wer beruflich vorankommen wolle, der müsse andere Prioritäten setzen. «Ein bis zwei Mal die Woche in die Probe gehen, das wird dann eben rasch zuviel.»

Obs wieder mal anders kommt? Optimismus ist schliesslich kein Fremdwort bei den Jodlern. Davon zeugt ein weiterer Blick in die Annalen des Vereins. Im Mai 1946 reiste der Klub auf Einladung eines Basler Gemüsegrosshändlers ins kriegsversehrte Elsass.

In Colmar nahmen die Oltner an einer Wohltätigkeitsveranstaltung mit, deren Erlös der Beschaffung von Gartengeräten diente. Die Geräte wurden gratis an Haushalte im Elsass verteilt, damit die Bewohner damit das Notwendigste anbauen konnten.

Nicht anderswo hin

Nun ist erst einmal der Optimismus der Realität gewichen. Die Generalversammlung Ende Januar hat gezeigt, dass nur gerade zwei Mitglieder einen Vereinswechsel ins Auge fassen würden.

Eigentlich überraschend wenig. «So überraschend ist das nicht», meint der Präsident. «Die meisten sind wie gesagt doch schon in einem gewissen Alter; da tut man sich mit einem Wechsel nicht mehr so leicht.»

Zudem will man sich im geselligen Rahmen auch weiterhin noch treffen: «Einmal monatlich», sagt Ris, «im Alpenrösli.» Ein Name – wie geschaffen für einen Jodlerklub. Dass der Verein auf Ende Jahr auch das Probelokal verlor, hat nichts mit dem gefällten Entscheid zu tun. «Das war mehr ein Zufall», fügt Max Ris hinzu.

Mäscheli und Hut beiseite

Nun legen die Mitglieder also ihre Trachten beiseite, Mäscheli, Hut, Kittel, Gilet, Hose, Schnallenschuh. «Also: Trachten hätten wir genug im Fundus», lächelt der wohl letzte Präsident vom Säli. An die 2000 Franken koste die Männertracht, bei den Frauen reiche das Doppelte davon nicht.

Gut möglich, dass jetzt die Zeit des Erinnerns naht: 26 Unterverbandfeste hat man in den letzten knapp 80 Jahren besucht, auch 20 Eidgenössische. 11 Konzerte für Radio Basel hat der Verein gegeben und sechs Tonträger bespielt; den Ersten 1950, den Letzten 2006. Es gibt Stoff en masse, von den das Jodlerinnen- und Jodlerherz träumen kann.

Und vielleicht gibts auch wieder mal eine Neuauflage des Vereins. Der bekannte Volksmusiker und Komponist Hans Aregger hat in seinem Jodellied «Us de Bärge» in der ersten Strophe verfasst: «De Jutz isch us de Bärge cho het üs der Ätti gsunge, e Bärgler heb ne mit sich gnoh und üs is Flachland brunge.» Hat etwa dieser Jutz in unserer Gegend die Rückreise angetreten? «Wir hoffen das nicht», meint Max Ris.