Die Reporterin war das erste Mal an einem Fasnachtsanlass – und war wider Erwarten angetan.
Hätte man mich noch vor zwei Tagen gefragt, was ich von der Fasnacht halte, hätte ich in schönstem Züritüütsch geantwortet: Fuck off. Als ehemalige Limmatstädterin hatte der Fasnachtsfunke nie auch nur die geringste Chance, auf mich überzuspringen. Und ich war saufroh drum. Fasnacht, das machten immer die in der Provinz. Fand ich schon in Ordnung, aber: Keep away.
Und dann musste ich mir im Auftrag dieser Zeitung die Oltner Fasnacht auszugsweise eben doch antun. Und wurde verzaubert. Vielleicht nicht einmal von der Fasnacht allein. (Wars der Mondenschein? Oder wars der Wein?) Schwer zu sagen.Aber ich habe kapituliert: Diese fünfte Jahreszeit, die hat was für sich.
Ort des Geschehens: die Naareparty im Stadttheater. Um halb zehn Uhr abends stehen erst vereinzelte Kostümierte in den beiden Sälen herum. Genug Zeit also für einen Plausch mit Fukorat Stefan Borner. Er bittet ins Backstage-Räumchen, das, klein und abgeranzt, einer Höhle gleicht. Hier gibts erst einmal ein Gläschen Wein, zum Angewöhnen. Claude Soland, seines Zeichens ebenfalls Fukorat, betont zwar sogleich: Dass an der Fasnacht vor allem getrunken werde, das sei ein Mythos. Gerade der Fukorat habe nämlich eine hohe Präsenzzeit, da liege das nicht drin. Okay, gekauft. Aber krieg ich noch einen Dezi?
Droben derweil kommt die Party in die Gänge. Die eigentlich, wie einer der Fukoräte in der Höhle unten bemerkte, gar kein Anlass echter Fasnächtler sei. Oder in seinen Worten: eine Veranstaltung «für die wo andersch Fasnacht mache». Ein Blick in die Halle bestätigt: Hier tanzen vor allem verkleidete Teenies zu Discomusik. Bei «I Like To Move It» und «Hit Me Baby One More Time» werden Jugenderinnerungen wachund mich packt die Lust, selbst abzushaken.
Aus dem Getümmel von Römern, mexikanischen Todesfeen, Mönchen, Hippies, Ghostbusters und hast du nicht gesehen, stechen drei helle Köpfe besonders heraus: Reto, Frankie und Dean aus Egerkingen. Sie tragen Nachtkästchen samt Lampenschirm als Kopfbedeckung. Das Motto «One Night Stand» lässt sich aus der Deko ablesen: Slip, BH, Kondome, Kleenex und Handschellen. Einer von ihnen habe in letzter Zeit nämlich sehr viele One-Night-Stands gehabt, sagen die drei lachend. Sie wollen an der Maskenprämierung den ersten Preis gewinnen, so viel ist klar. Und tatsächlich, Obernaar Role wird es später verkünden: Ein Jahr lang gratis Kinoeintritt ist ihnen gewiss. Ebenfalls auffällig sind die beiden mit den selbst gebastelten Larven, die sich «Literatur» nennen. Ein Griff in ihren Zettelbeutel fördert eine fragwürdige Lebensweisheit zutage, irgendwas von einem Igel in einer Kondomfabrik.
Es geht «Atemlos durch die Nacht» und ich wieder zurück in die Höhle, wo nochmals nachgetankt wird. Obernaar Role hat sich auf eines der beiden abgerockten Sofas gefläzt. Die Männer – Fukoräte, Fasnachtszünfter – stehen dicht an dicht. Sandwiches gibts und Bier, und der eine oder andere hat dann doch schon eins oder zwei über den Durst getrunken. Einer aus der Nachtwächter-Clique etwa, mit dem ich mich übers Fasnächtlerleben unterhalte. Sprüche fallen, gemütlich ists hier.
Und dann nochmals hoch zur Maskenprämierung. Es ist halb eins. Nach der Auszeichnung der Egerkinger Lampenschirmträger ist auch meine Lampe inzwischen gut gefüllt. Vielleicht wars also wirklich der Wein. Oder die gmögigen Fasnächtler in ihrer Höhle. Oder es gibt ihn eben doch, diesen seltsamen Zauber, der der Fasnacht innewohnt.