Startseite
Solothurn
Olten
Die visuelle Theatercompany gastiert mit you&me im Stadttheater Olten; Gründungsmitglied Floriana Frassetto ist noch immer dabei.
Sie sagt, in Olten kenne sie einpaar sehr nette Menschen, von Olten den Bahnhof und das Stadttheater. Floriana Frassetto ist die grosse «alte Dame» von Mummenschanz, der Truppe, die sich als «Musiciens du Silence», als «Musiker der Stille» bezeichnet. Lustig, melancholisch, witzig, romantisch, magisch: Einige der Attribute, die der Truppe anhaften. Eigentliche Mummenschanz-Begeisterte fügen in der Regel noch die Begriffe magisch oder dramatisch bei. Die letzten knapp 50 Jahre mit Mummenschanz seien fantastisch gewesen und schnell vorbeigegangen, bilanziert das Gründungsmitglied. Aber im Rückblick sagt Floriana Frassetto auch: «Mummenschanz ist wohl mein Leben, aber wenn ich noch einmal 1972 beginnen könnte, ich würde mir mehr Zeit für meine Tochter nehmen.» Jetzt gastiert das weltbekannte Ensemble mit dem Gründungsmitglied als künstlerischer Leiterin im Stadttheater Olten.
Das Mummenschanztheater entstand in den frühen Siebzigerjahren als Trio. Inwiefern hat das Publikum, welches Ihnen seit bald 50 Jahren treu ist, Ihrer Meinung nach auf ein Produkt wie jenes von Mummenschanz gewartet?
Floriana Frassetto: Wir haben in 50 Jahren viele neue Nummern erarbeitet, sind rund um die Welt gereist, und haben uns immer weiterentwickelt. Das Publikum konnte in all unseren Programmen immer wieder Neues entdecken. Unsere Kunstform ist einzigartig und es gibt weltweit keine vergleichbare Company. Die Zuschauer sind immer wieder überrascht und berührt, wenn sie unsere Show verlassen. Und heute ist unsere Bühnenkunst ein wohltuender Gegensatz zur lauten und schnellen Welt und zu den vielen anderen ,lauten, schnellen und grellen Shows. Zurück zu den Gefühlen, zu den Emotionen und zur Poesie.
War Mummenschanz als Institution überhaupt ein Senkrechtstarter? Stand das Ensemble jemals am Scheideweg und hatte zu beschliessen über sein oder nicht sein?
Es war damals 1972 in Paris ein langsamer Start und der Erfolg kam auch langsam. Es explodierte dann aber 1976 in New York, als wir drei Jahre am Stück am Broadway spielten. Als Andres Bossard 1992 starb, haben Bernie Schürch und ich lange diskutiert, ob wir weitermachen sollten. Im Gedenken an Andres, aber auch, weil das Publikum uns weiter sehen wollte, haben wir uns entschieden, weiterzumachen. 2012 hat sich Bernie entschieden, Mummenschanz zu verlassen und sich zur Ruhe zu setzen. Damals habe ich auch lange überlegt, ob ich alleine weitermachen möchte. Heute bin ich froh, habe ich mit neuen, jungen Darstellern weitergemacht.
Der Name Mummenschanz hat heute die Bedeutung von «Maskerade» oder «Maskenspiel». Warum hat sich das Trio seinerzeit auf den wenig bekannten Begriff eingelassen?
Wir haben den Namen an einer Ausstellung von Bauhaus Künstler Oskar Schlemmer gefunden und waren fasziniert von diesem Wort und seiner Bedeutung. Der Begriff setzt sich zusammen aus «Vermummen» und «La Chance». Der Name drückte genau das aus, was wir machen: Wir bedecken, vermummen uns, stellen uns als Person in den Hintergrund und erwecken Formen, Gegenstände und Materialien zu neuem Leben.
Lacht das portugiesische Publikum über andere Bühnenmomente als das deutsche? Oder ist der stumme Auftritt von Mummenschanz polyglott?
Mummenschanz ist universell und da wir keine Sprache und keine Musik nutzen, werden wir in allen Kulturen und Sprachregionen verstanden. Zudem stellen wir in unseren Nummern Alltagssituation und menschliche Gefühle dar, die auf der ganzen Welt, bei allen Menschen die
«you &me» im Stadttheater Olten:
Mittwoch und Donnerstag, 9./10. Oktober 2019, jeweils um 20 Uhr
Tickets unter: mummenschanz.com/tickets oder starticket.ch
selben sind. Freude, Trauer, Enttäuschung, Lachen. Aber es gibt schon Unterschiede, ob wir in Amerika spielen oder in China. Die Show bekommt unterschiedliche Rhythmen. Das amerikanische Publikum ist zum Beispiel schneller und lauter, das chinesische Publikum ist eher scheu und zurückhaltend.
Stört es Sie, dass viele Menschen zwar Mummenschanz, aber den Namen Floriana Frassetto wahrscheinlich nicht kennen?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin ja nur Teil von Mummenschanz. Wir Darsteller stehen nicht im Vordergrund. Im Gegenteil, wir sind ja vermummt und schwarz angezogen, so dass man uns auf der Bühne nicht kennt. Unsere Kunst, die Masken, die Idee steht im Vordergrund – und die Gefühle der Zuschauer.
Spielt Mummenschanz in seinen Vorführungen eigentlich vor Generationen übergreifendem Publikum?
Ja, wir bringen vier Generation zusammen. In unserem Publikum sitzen Menschen von 6 – 106 Jahren. Wir erleben, wie viele Eltern oder ihre Grosseltern mitbringen, um ihren Kinder Mummenschanz näher zu bringen und ihnen das Erlebnis, das sie damals als Kinder hatten, weiterzugeben.
Mummenschanz spielt ohne Worte und fast geräuschlos. Stellen Sie sich vor: Ihr Publikum geniesst Ihre Produktion ebenso stumm und verlässt das Theater später ergriffen und fast geräuschlos. Ein Albtraum?
Ja sicher! Wir benötigen die Lacher, den Rhythmus, die Reaktionen des Publikums. Wir sind wie Musiker, die Musiker der Stille. Und das Publikum ist der Dirigent. Manchmal fragen uns die Leute nach der Musik, die sie in der Show gehört haben. Aber es gibt keine Musik, die Musik geschieht in den Köpfen und Herzen der Zuschauer!
Mummenschanz gibt «You and me». Wer ist You und wer ist me?
«Me» sind wir Darsteller auf der Bühne und «You» ist das Publikum. Zusammen erleben wir einen poetischen und emotionalen Abend. Das Du und Ich bringen wir aber auch in verschiedenen Nummern zum Ausdruck. Viele unserer Nummern handeln natürlich auch von menschlichen Gefühlen und der Interaktion von Menschen.