Mein Olten
Wer bestimmt in Olten?

Gabriela Allemann
Gabriela Allemann
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Stimmrechte für möglichst viele, das wäre ein Gewinn – nicht nur für Olten, findet die Autorin.

Stimmrechte für möglichst viele, das wäre ein Gewinn – nicht nur für Olten, findet die Autorin.

Christian Beutler/Keystone

Ein neues Schulhaus soll gebaut werden. Wie viel soll es kosten? Wie soll es aussehen? Welche Materialien sollen verwendet werden? Für wie viele Kinder soll geplant werden? Mit einer Turnhalle, oder gleich drei? All diese Fragen und noch viele mehr stellen sich bei einem solchen Bauvorhaben.

In Olten, wie überall in der Schweiz, wird zur Beantwortung der wichtigsten Fragen an die Urne gerufen. Einige gehen; meistens nicht so viele wie gewünscht und gut wären in einer direkten Demokratie.

Wer aber wird denn zur Urne gerufen? Wer bestimmt über den Neubau des Schulhauses? Die, die es betrifft, möchte man meinen. Und das sollten in einer Demokratie, in welcher damit Gemeinsinn zen­tral ist, alle sein. Dies ist aber nicht der Fall. Verschiedene Einschränkungen regeln das Mitbestimmungsrecht. Erst einmal müssen 18 Lebensjahre erreicht sein (damit sind schon ganz viele Direktbetroffene vom Schulhausneubau ausgeschlossen).

Weiter muss auch die Staatsbürgerschaft der Schweiz vorgewiesen werden können. Mit der in der Schweiz sehr restriktiven Ausgestaltung der Einbürgerung führt dies dazu, dass heute gut ein Viertel der Menschen in der Schweiz nicht stimm- und wahlberechtigt sind. Das ist in Olten nicht anders. Immerhin wird auf der Homepage der Stadt Olten auf die Möglichkeit hingewiesen, «sich in Kommissionen, Interessenverbänden und Vereinen zu engagieren. Zudem wird auch die ausländische Wohnbevölkerung in Olten regelmässig zu Mitwirkungsverfahren eingeladen.»

Das ist gut und ich wünsche mir, dass diese Beteiligung intensiv beworben und rege genutzt wird. Aber es reicht meines Erachtens nicht. Um beim Beispiel zu bleiben: Die Möglichkeit, an der Urne darüber zu befinden, wie viel Geld ausgegeben werden soll für ein neues Schulhaus, soll auch den Menschen zugestanden werden, die juristisch gesehen «Ausländer», faktisch aber Einwohnerinnen sind dieser Stadt. Menschen, die zu einem grossen Teil seit über zehn Jahren hier ihren Lebensmittelpunkt haben und eben, die sehr oft Kinder haben, die mit meinen Töchtern gemeinsam die Schulbank drücken.

Ich darf mitbestimmen über das neue Schulhaus, jene nicht. Ich finde das je länger je schwieriger zu rechtfertigen.

Vor 50 Jahren wurde, nach heftigem Ringen und vielen Anläufen, den Frauen das Stimmrecht verliehen. Ein massives Defizit in der Schweizer Demokratie war endlich behoben worden. Die Hälfte der Menschen mit Schweizer Staatsangehörigkeit wurde, nicht ohne Angst vor dem Bedeutungsverlust der demokratischen Abläufe, als vollwertige Bürgerinnen anerkannt.

Dass wir die perfekte Demokratie nach wie vor nicht verwirklicht haben, überrascht nicht – vielleicht ist es das Wesen von demokratisch organisierten Staaten, dass sie immer wieder über das Ideal und die Weiterentwicklung der Demokratie nachdenken und diskutieren können.

So finde ich wunderbar, dass wir am Wochenende einmal mehr die Möglichkeit haben, unsere Demokratie zu stärken und zu erweitern. Wir können den Gemeinden die Möglichkeit geben, ihrer – im juristischen Sinne - ausländischen Bevölkerung das Stimm- und Wahlrecht zu erteilen. Damit sich ihre Entscheide noch mehr auf den Willen der gesamten Bevölkerung stützen. Um Menschen in ihre politischen Gremien wählen zu können, die hier leben, arbeiten, Steuern zahlen, ihre Kinder zur Schule schicken.

Wir haben die Möglichkeit, die Beteiligung zu erhöhen, Menschen zu ermächtigen und zu ermutigen, ihre Stimmen einzubringen. Ich bin überzeugt, für Olten wäre das ein Gewinn, nicht nur, wenn es um neue Schulhäuser geht.

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