Mein Olten
Wenn die Sehnsucht mit einem spazieren geht

Madeleine Schüpfer
Madeleine Schüpfer
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Der strenge Blick des auf dem Gedenkstein verewigten Nicolaus Riggenbach im Oltner Stadtpark flösste unserer Autorin früher ein bisschen Angst ein.

Der strenge Blick des auf dem Gedenkstein verewigten Nicolaus Riggenbach im Oltner Stadtpark flösste unserer Autorin früher ein bisschen Angst ein.

Bruno Kissling / OLT

Der Stadtpark Olten ist für mich nicht einfach nur ein Stadtpark, so wie es viele gibt. Ein grosses Stück Kindheitserinnerung lebt in ihm. Und zwar immer noch mit der gleichen Intensität wie vor vielen Jahren. Ich bin am Friedhofweg 19 mit meinen drei Geschwistern aufgewachsen, und bis ich 13 Jahre alt war, wohnten wir im ersten Stock und in den Mansarden des Hauses mit einem schönen Garten.

Eigentlich müsste ich den Garten gar nicht erwähnen. Denn wir und auch alle Nachbarskinder verbrachten unsere Spielzeit im Alten Friedhof, dem heutigen Stadtpark. Im oberen Teil gegen das Altersheim Stadtpark zu bis zum Weg zum ersten Brunnen gab es noch Gräber mit Grabsteinen. Viele waren vergessen gegangen. Und bei einigen entdeckte man die Verwandten, welche die Gräber pflegten und mit bunten Stiefmütterchen bepflanzten.

Wir Kinder respektierten die Gräber. Wenn Erwachsene dort waren, verzogen wir uns. Und wenn wir wieder allein waren, lebten wir unsere Freiheit mit den Gräbern und Grabsteinen, zum Teil halbschief dastehend.

Kinder sind immer ein bisschen unberechenbar, das ist nun mal so. In den kleinen Abfallgruben wurden die verwelkten Blumen entsorgt, und wir entdeckten noch höchst attraktive Stiefmütterchen in wunderschönen Farben, die wir zu Hause in eine Vase stellten. Dies unter der lauten Aussage: «Die lagen alle in der Abfallgrube.» Was vielleicht nicht immer ganz stimmte, wenn man von einer Blume angelacht wurde, die noch in der Reihe stand.

Heute gehe ich mit einer leisen Wehmut durch den Stadtpark. Er hat sich wundersam verändert, erstrahlt in feiner Schönheit, einzelne alte Bäume erkenne ich noch. Auch die Wege, die Brunnen und die Wolken über den Bäumen, das Sonnenlicht in den Büschen, die nicht mehr so dicht sind wie zu meiner Zeit. Aus dem Alten Friedhof ist ein schöner Park geworden, ein Ort, der zum Verweilen einlädt. Schön ist, dass man ihn durchwandern kann in alle Himmelsrichtungen.

Die Spielplätze für die Kinder sind durchdacht und fein konstruiert, die Fantasie hat Raum zum Atmen, die Grünflächen nehmen gefangen. Und wenn der Wind durch die einzelnen alten Bäume fährt, fühle ich mich wieder wundersam jung.

Man könnte nun fragen: Warum schreibe und erzähle ich dies überhaupt? Wen interessiert denn die Geschichte eines Parkes vor lange Zeit, der erst noch ein Friedhof war? Und doch glaube ich, dass gewisse Orte in der Stadt aufgrund ihrer Geschichte ihre Mystik nicht verlieren und einem ein besonders Gefühl der Geborgenheit geben, auch eines der inneren und äusseren Freiheit.

Dies finde ich wunderschön. Der Eisenbahnkönig von Olten, Niklaus Riggenbach aus schwarzem Marmor, steht gegen die Strasse hin in ein paar Büschen; zu meiner Zeit war er fast versteckt. Wir fürchteten ein wenig sein strenges Gesicht. Das Soldatendenkmal in seiner Wucht kam erst später auf die Wiese, auch die anderen Objekte.

Geblieben ist mir der Eisenbahnkönig, der unsere Stadt prägte und mir eine grossartige Lücke in seinen ihn umgebenden Büschen anbot, wenn ich vom Spiel etwa ausruhen wollte und zufrieden mein kleines Gerberkäslein mit einem Stück Brot vertilgte. Er hat mir dies nie nachgetragen und es dünkt mich, heute strahlt er lustvoller und zufriedener in die Runde. Neues hat auch sein Gutes.

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