Mein Olten
Olten braucht nicht nur einen fleissigen Stadtschreiber

Thomas Knapp
Thomas Knapp
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Transportierte regelmässig Klischees über Olten in die Welt hinaus: die Sendung SRF bi de Lüt.

Transportierte regelmässig Klischees über Olten in die Welt hinaus: die Sendung SRF bi de Lüt.

Patrick Lüthy

Gut gemeint, schlecht umgesetzt. Zur besten Sendezeit an einem Samstagabend sassen dreihunderttausend Leute vor dem Fernseher. «SRF bi de Lüt» war wohl etwas Werbung für unser Städtchen. Aber gefühlt alle zehn Minuten wurden uns die gängigen Klischees über Olten aufgetischt. Warum, fragen wir uns?

Ja, Alex Capus hatte recht, als er dem OT im Nachgang zur Sendung sagte, es interessiere ihn nicht, all den alten Klischees zu widersprechen. Deshalb wollte er sich dazu auch nicht im Fernsehen äussern.

Selten konfrontiert mit Vorurteilen

Ich bin beruflich oft unterwegs. Es wäre mir noch nie in den Sinn gekommen, mich in Zürich oder Bern für Olten rechtfertigen zu müssen. Zugegeben, ich werde auch selten mit Vorurteilen konfrontiert. Da sind wir halt durchschnittlich unwichtig, tragen keine weissen Socken wie Aargauer, sind keine Langfinger wie Thurgauer und nicht klein wie Appenzeller. Wenn Olten mit etwas in Verbindung gebracht wird, dann am ehesten mit Bahnhof oder Mike Müller.

Was Olten aber dringend braucht, ist nicht nur ein fleissiger Stadtschreiber. Wir sollten uns wirklich überlegen, jedes Jahr einen Stadtschreiber oder eine Stadtschreiberin einzuladen, die oder der unvoreingenommen über Olten schreibt. Man bietet den Schreibenden Kost und Logis und Sackgeld für einige Monate.

Ein Stadtschreiber muss her

Stadtschreiber sind vor allem in Deutschland weit verbreitet. Meist werden die Stipendien mit einem kommunalen Literaturpreis verbunden. Und wir haben mit dem Dreitannen-Literaturpreis der Däniker Stiftung von Hans und Beatrice Maurer bereits eine solche Auszeichnung in der Stadt. Sie wird jeweils im Rahmen des Buchfestivals Olten in den Sparten Haupt-, Ehren- oder Förderpreis verliehen.

Den ersten Dreitannenpreis hat Charles Lewinsky gewonnen. In diesem Jahr wird es, so viel sei verraten, eine Autorin sein.

Es gäbe nur eine Bedingung: Stadtschreibende dürfen sich literarisch nicht an den alten Klischees bedienen. Also kein Nebel, keine leeren Ladenflächen und kein Strassenstrich. Halten wir uns an den niederländischen Maler Hieronymus Bosch, der vor über 500 Jahren sagte: «Dem erbärmlichen Geist ist es zu eigen, stets nur Klischees und niemals eigene Einfälle zu verwenden.»

Botschafter mit wachem Geist

Schriftstellerinnen und Schriftsteller haben einen wachen und keinen erbärmlichen Geist. Sie sind gute Botschafter. Fragen Sie mal eine Buchhändlerin in einem Buchladen in Buxtehude, woher Capus komme. Nicht aus der Schweiz, nein, «aus Olten» kriegen sie im Norden Deutschlands zur Antwort. Klischees sind Nebensache.

Nur in der Kantonshauptstadt werden sie leidenschaftlich wie die schmucken Altstadthäuser gepflegt, welche en bloc werbewirksam die schönste Barockstadt der Schweiz bilden, auch wenn die meisten Häuser nachweislich nur barocke Fassaden sind.

Sie passen deshalb perfekt zum Wort Klischee, welches aus dem Französischen cliché abgeleitet wird und so viel bedeutet wie Nachbildung oder Schablone, einem Begriff aus der Drucktechnik am Anfang des 19. Jahrhunderts. «SRF bi de Lüt» wäre in Solothurn wirklich gut aufgehoben. Dort stört es auch niemanden, wenn alle gefühlten zehn Minuten Klischees aufgetischt werden.

Keine Schablone mehr

Und wir in Olten sollten uns nicht mehr in eine Schablone pressen lassen. Vorurteile nehmen wir fortan achselzuckend zur Kenntnis. Die Stadtschreibenden werden den erbärmlichen Geist schon austreiben.