Ein Grosser ist letzte Woche verstorben. Betroffen habe ich die Nachricht von Endo Anacondas Tod gelesen und mich von den Erinnerungen an all die wunderbaren Konzerte davontragen lassen, die ich geniessen durfte. Insbesondere dachte ich an einen Anlass, den ich für meine damalige Kirchgemeinde organisiert hatte und meine grosse Überraschung, dass der Hase zugesagt hatte für einen Auftritt.
Es war eine herzliche, schöne Begegnung mit Endo. Er wünschte mir, der damals Hochschwangeren, alles Liebe und Gute und hielt mich an, vorsichtig zu sein. Ja, die Vorsicht, die er bei mir anmahnte, nahm er bei sich selber lange nicht so ernst … Ich bin traurig, dass ich Endo nie mehr grochse, schmiichle, schnuufe, liire – singen – hören werde, live, mit seiner ganz eigenen, starken, umwerfenden Präsenz.
Die Berichte und Nachrufe der letzten Tage gaben meiner Emotion noch eine andere Färbung. Dass Endo wohl bald nach Olten gezogen wäre, hat mich berührt. Er wäre bald ganz hier zu Hause gewesen, wo er sich bereits wohlgefühlt hatte, dank intensiven Freundschaften.
Es ist schon bemerkenswert, wie viele Menschen, die sich mit Worten und Klang befassen, mit Olten in Verbindung stehen oder sich grad ganz hier niederlassen, wie das auch Endo wollte. Manchmal staune ich, wenn mir wieder bewusst wird, wie viele grosse Schreibende und Musizierende, die mich mit ihren Werken bewegen und beglücken, hier ihren Lebensmittelpunkt haben und hatten.
Ich erwische mich in Gesprächen mit Nicht-Oltnerinnen und -Oltnern dabei, mit diesen «grossen» Menschen meine Zuneigung zu Olten zu untermauern, im Sinne von «seht her, auch sie alle finden dieses kleine Städtchen mit dem zu Unrecht schlechten Ruf wunderbar, lebenswert, inspirierend!» Sie scherzen dann jeweils, es sei wohl das Aare-Wasser, das inspirierende Wirkung habe, oder vielleicht der Nebel, wie ihn Thomas Knapp vor einer Woche in dieser Kolumne so poetisch beschrieben hat.
Wer weiss, vielleicht ist ja da tatsächlich was dran, an dieser Stimmung von Fluss, Bergen, wabernden Nebeln... Anziehend und inspirierend ist aber sicher die Lebendigkeit eines Ortes, die Infrastruktur – und natürlich auch die geografische Lage, die Weitsicht und die Umsicht, die von den Verantwortlichen – erkennbar – an den Tag gelegt wird, die Planung der Zukunft. Olten ist dran und setzt sich ein, für alle wunderbar, lebenswert und inspirierend zu bleiben.
Es sind verschiedene Faktoren, die Menschen dazu bewegen, sich an einem Ort niederzulassen. Und auch wenn es in der momentan emotional geführten Budgetdebatte fast gebetsmühlenartig wiederholt wird: die Steuern sind bestimmt nicht der einzige Faktor, weder für Privatpersonen noch für Firmen.
Es sind vielmehr die vorhandenen Angebote, zum Beispiel kultureller Art, die eben auch finanziert werden müssen. Und bestimmt ist es bei vielen so wie bei Endo: Es sind Menschen, vertraute und nahe, Beziehungen, Netzwerke privater wie beruflicher Art, die Entscheide beeinflussen, die uns anziehen, die zum Kommen – und Bleiben! – bewegen, zum Mitwirken und Mitgestalten.
Es hätte mich unglaublich gefreut, Endo auf einem Spaziergang, der grüene Aare na, zu begegnen. Ruhe sanft, grosser Hase!