Mein Olten
Garten-Philosophie – konsequent zu Ende gedacht

Ruedi Studer
Ruedi Studer
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Die Garten-Philosophie unseres Kolumnisten: Leben und leben lassen.

Die Garten-Philosophie unseres Kolumnisten: Leben und leben lassen.

Andrea Stalder

«Warum willst du ausgerechnet über ein Thema schreiben, von dem du keine Ahnung hast? Damit nervst du nur die Leute.» Dies die prompte Reaktion meiner Frau, als ich ihr das Thema dieser Kolumne präsentiere.

Was meine Gattin derart in Wallung versetzt? Bäume, Hecken, Gräser! Ja, unser Garten. «Olten ist eine Gartenstadt – da liegt es doch auf der Hand, darüber zu schreiben», versuche ich die Situation zu retten. «Lies erst mal ein Gartenbuch. Wenigstens eines», kontert sie lapidar.

Ich geb ihr ja recht: Ich habe keine Ahnung vom Gärtnern. Und ich habe auch noch nie ein Gartenbuch gelesen. Aber, ich habe eine Garten-Philosophie! So wie jeder Gartenbesitzer und jede Gartenbesitzerin. Ganz nach dem Motto: Zeige mir deinen Garten – und ich sage dir, wer du bist.

Die Vorstellung eines jeden vom perfekten Gärtli

Schauen Sie sich in der Gartenstadt doch mal um! Eine Vielfalt an Gärten, eine Vielfalt an Philosophien. Jeder und jede hat doch eine Vorstellung, wie das perfekte Gärtli aussehen soll – und zum Glück haben nicht alle die gleiche Vorstellung davon. Ein buntes Treiben. Ja, beim Gärtnern tun sich richtiggehend Gräben auf.

Für die einen ist der Garten ein Ort der Leidenschaft. Sie blühen in ihm auf und kümmern sich mit viel Liebe und Inbrunst um ihr kleines Paradies. Rasen mähen, Hecken stutzen, Bäume kappen. Pure Entspannung. Oder Obst und Gemüse anbauen. Vom Apfel bis zu Zucchetti kommt alles frisch auf den Tisch.

Mit eigenen Händen erarbeitet. Im Herzen noch immer ein kleiner Bauer. Mein Vater beispielsweise versorgt mit seiner Ernte gefühlt eine halbe Armee. Und dann gibt es auch jene, für die ist der Garten ein Ort, der Leiden schafft. Um das Leiden zu mindern, lässt man sich von Fachleuten einen wohl austarierten Garten mit gepflegten Rasen und ein paar Blumen- und Gemüsebeeten anlegen und den Mähroboter das mühsame Mähen erledigen.

Der Steingarten erledigt die Gartenarbeit von selbst

Oder es gibt gleich einen grossflächigen Steingarten, um sich der leidigen Gartenarbeit zu entledigen. Natürlich gibt es auch jene, die ihren Garten einfach verwildern lassen.

Ich gebs ja zu, ich gehöre zu den Wilden. Gartenarbeit ist mir eigentlich ein Gräuel. Darum auch meine Garten-Philosophie: Leben und leben lassen. Erstens, leben! Ich verbringe gerne Zeit im Garten. Beim Käfele mit Freunden und Bekannten. Beim Spielen mit meiner Tochter und den Quartierkids. Beim Lesen. Beim Faulenzen. Und manchmal – ganz, ganz selten – sogar beim Rasenmähen und Blätterrechen.

Zweitens, leben lassen! Bäume, Sträucher, Gräser, Blumen. Den ersten Rasenschnitt braucht es doch erst, wenn die Pflanzen abgesamt haben – wenn überhaupt. Vom Bäumeschneiden lasse ich möglichst ganz die Finger. Gott hat sich bei der Schöpfung von Nussbäumen, Eschen oder Ahorn doch sicher etwas überlegt. Wieso sollte da der Mensch also eingreifen?

Philosophie - passend bis in den Herbst

Meine Garten-Philosophie passt – bis der Herbst kommt. Und die amtliche Aufforderung zum «Zurück- und Aufschneiden von Bäumen, Sträuchern, Hecken usw. entlang von Trottoirs und Strassen». 4,20 Meter über Fahrbahn. 2,50 Meter über Trottoir. Schnippschnapp wird meine Philosophie zerpflückt. Und noch bevor die Uhr auf Winterzeit zurückgedreht wird, steht mein Vater vor der Tür – mit Motorsäge und Heckenschere – und sagt nur: «Zeit für den Garten. Und lass mich einfach machen.»

Gut, einmal tief durchatmen – und machen lassen. Ein bisschen zumindest. Letzte Woche war es wieder so weit. Resultat: Grüngutsammlung gut bedient, Familienfrieden gewahrt. Und ich tröste mich damit, dass es im Frühling wieder losgeht, wächst und spriesst, kreucht und fleucht, summt und brummt.

Den Ratschlag meiner Liebsten nehme ich mir trotzdem zu Herzen. Ich habe mir tatsächlich vorgenommen, vielleicht doch mal einen Blick in ein Gartenbuch zu werfen. Beim Googeln hab ich schon ein passendes Werk gefunden: «Mein heimischer Garten – die 100 besten heimischen Pflanzen zum Verwildern».