In Gesprächen bezeichne ich mich gerne als Solothurner und meine damit nicht meine Heimatstadt, sondern unseren Kanton. Ich bin in Solothurn geboren und aufgewachsen, lebe nun aber bereits knapp 20 Jahre in Olten. Irgendwann dazwischen habe ich vier Jahre in Oensingen unterrichtet und dabei auch die Klus und das Thal kennen gelernt. Ich kenne unseren Kanton also ziemlich gut, sieht man mal vom Schwarzbubenland ab.
Was mir auffällt: Oltner und Solothurner sind sich fremd. Nicht unbedingt im Wesen, schliesslich stammen wir alle aus dem Grossraum Mittelland und unterscheiden uns in Charakter und Temperament nur marginal. In beiden Städten aber ist das Wissen über die jeweils andere Stadt im Kanton nicht sonderlich ausgeprägt, auch wenn Solothurn und Olten durch nur 20 Minuten Zugfahrt getrennt sind.
Solothurn bezeichnet sich bekanntlich als schönste Barockstadt der Schweiz. Und in der Tat ist die Kantonshauptstadt mit ihrer Altstadt, ihren elf Brunnen, elf Kirchen und Kapellen sowie den elf Türmen sehr hübsch anzuschauen. Nur wurde ich in meiner Jugend den Eindruck nie los, dass die Solothurner wissen, dass sie in einer ausgesprochen schönen Stadt leben. Pioniergeist und Kreativität haben mir in der Kantonshauptstadt vorab in meiner Kanti-Zeit oft gefehlt. Es «isch immer so gsi».
Oltner dagegen wachsen mit dem Bewusstsein auf, dass ihre Stadt in der übrigen Schweiz nicht den besten Ruf hat. Die negativen Klischees über unsere Dreitannenstadt brauche ich hier nicht aufzuzählen, weil sie erstens jedem Oltner geläufig sind und zweitens auch keineswegs zutreffen.
Vielleicht sorgt aber genau diese permanente Konfrontation mit dem negativen Bild über die eigene Stadt dafür, dass ich Oltner als viel heimatbezogener, kreativer, diskussionsfreundlicher und leidenschaftlicher in Bezug auf die eigene Stadt wahrnehme als Solothurner.
Treffe ich in Solothurn auf entfernte Bekannte und erzähle ihnen, dass ich mich in Olten niedergelassen und Wurzeln geschlagen habe, schwankt die Reaktion oft zwischen Verständnis- und Fassungslosigkeit. Typischerweise erfahre ich im weiteren Gespräch dann, dass das Gegenüber noch überhaupt nie in Olten war und nichts über die Stadt weiss als die bereits erwähnten Klischees.
Oute ich mich umgekehrt in Olten als gebürtiger Solothurner, sorgt dies ebenfalls zumindest für Stirnrunzeln, wenn nicht gar für Befremdung. Diese Beobachtungen sorgen bei mir oft für ein Schmunzeln. Sie zeigen mir auf, dass wir in unserer kleinen Schweiz doch viel stärker auf unsere eigene Umgebung fixiert sind als wir dies zugeben würden.
Dass gerade die Bewohner der Nachbarstadt aus dem gleichen Kanton oft als Fremde gesehen werden und gerne viel öfter die Unterschiede als die Gemeinsamkeiten hervorgehoben werden.
Und dass dies wohl ein Reflex ist, den alle Menschen irgendwie in sich tragen. Schliesslich steigen zum Beispiel im Sport die grössten und emotionalsten Derbys immer zwischen Teams aus der gleichen Stadt oder einem nahen Nachbarort. Dem Leser dürfte aufgefallen sein, dass ich die dritte Stadt in unserem Kanton bislang völlig unterschlagen habe.
Was eigentlich ist mit Grenchen? Sorry, da muss ich passen. Über Grenchen weiss ich bis auf wenige Klischees nichts. Und erwische mich dabei, wie ich selbst in die Falle tappe und das Nahe in erster Linie als das Fremde wahrnehme.