Das zweite Buch mit Geschichten des Schweizer Schriftstellerwegs ist da – an der Vernissage lasen Schreibende daraus vor. Ein Höhepunkt der Veranstaltung war der Beitrag von Peter Bichsel.
Im Kulturzentrum Schützi stand bereits ein Tag vor der Eröffnung des Oltner Buchfestivals alles für den grossen Anlass bereit. Wer wollte, hatte also bereits am Mittwochabend die Gelegenheit, nach Lust und Laune in verschiedenen Büchern zu schmökern. Im Zentrum dieses Abends stand jedoch die Vernissage des zweiten Buches von Region Olten Tourismus, «Das Schaukelpferd in Bichsels Garten», das diesen Oktober im Knapp Verlag erschienen ist. Die Bühne war für den anstehenden Anlass elegant hergerichtet: schwarze Stühle und ein rundes Tischchen, worauf vier Gläser Wein thronten, standen bereit.
Um 19.30 Uhr betrat denn auch die Autorenschaft und Verleger Thomas Knapp die Bühne. Bevor das Gespräch im Stil eines Symposiums beginnen konnte, begrüsste Deny Sonderegger, Präsident von Region Olten Tourismus, alle Anwesenden und verwies auf den Schweizer Schriftstellerweg. Dort können alle Geschichten des neuen Buches – und noch mehr – an über 70 Hörstationen erlebt werden. Ein Höhepunkt der Veranstaltung war der Beitrag von Peter Bichsel, einer der Autoren, die persönlich vor Ort waren. «Peter, deine Geschichten berühren», leitete Thomas Knapp das Gespräch mit dem 86-Jährigen ein.
Dass dies der Wahrheit entspricht, bewies Bichsel gleich selbst, als er seine Geschichte «Bifangschulhaus» vorlas. Kaum erhob der Schriftsteller das Wort, war es mucksmäuschenstill. Mit seiner Geschichte über seine Grundschullehrerin, die er wohl von Herzen liebte, erzeugte er im Nu ein magisches Ambiente.
Das Publikum kicherte oder wurde bitterernst, als Bichsel von seinem zweiten Lehrer erzählte, der seinen Freund Peppino praktisch täglich verprügelte und keiner in der Klasse sich traute, ihm zu helfen. «Wir schauten eigentlich nur, dass wir nicht verprügelt wurden», las Bichsel vor und fuhr nach einer kurzen Pause fort: «Die Schule des Faschismus.»
Die Betroffenheit im Publikum war förmlich spürbar. Aber auch im Gespräch mit Knapp und den anderen Autoren wurde klar, dass Bichsel, der unter anderem von seiner Buchstabensucht erzählte, ein Denker der Sonderklasse ist – und die Welt aus einer eigenen Perspektive betrachtet. Indem er betonte, wie sehr Menschen in Machtpositionen verhindern wollen, dass viel gelesen wird, zeigte er sich auch von einer gesellschaftskritischen Seite. «Lesen ist gefährlich», meinte er, denn dadurch könnte der Mensch beginnen, selbstständig zu denken.
Knapp lenkte mit der Frage, ob sie ebenfalls zurück an ihre Schulzeit denke, die Aufmerksamkeit schliesslich auf Rebekka Salm. Die Oltnerin war 2019 im Rahmen des Buchfestivals Supertext-Siegerin und gewann eine Hörstation auf dem Schweizer Schriftstellerweg. Untätig war die 41-Jährige seither nicht. Die letzten zwei Jahre nutzte sie, um ihr erstes Buch, in welchem ein ausgestopfter Hirschkopf einen wichtigen Part innehat, zu verfassen. Ort des Geschehens sei ein Dorf wie jedes andere, wo die Beiz meist voll und die Kirche meist leer sei, so Salm – und wo vor allem viel getratscht werde.
«In meinen Geschichten erzählen Dorfbewohner zwischen 8 und 88 Jahren über sich selbst, aber vor allem über die anderen»,
erklärte Salm, bevor sie einen amüsant-düsteren Teil aus ihrem Werk, welches voraussichtlich im April 2022 erscheinen wird, vorlas.
Ebenfalls Teil der Gesprächsrunde war der erfolgreiche Solothurner Krimiautor Christof Gasser, dessen Werke regelmässig an der Spitze der Schweizer Bestsellerliste zu finden sind. Auch für den Schriftstellerweg steuerte er einen delikaten Kriminalfall in fünf Kapiteln bei. Über seine Schreibmotivation verrät der 1960 Geborene: «Ich warte auf Türen, die sich immer mal wieder öffnen – dann schreibe ich weiter.»
Sein nächster Krimi «Solothurn blickt in den Abgrund», in welchem auch Olten eine Rolle spielt, wird voraussichtlich im Juli 2022 publiziert. Der rund 75-minütige Anlass wurde im Anschluss mit einem offerierten Apéro sowie der Möglichkeit, Bücher persönlich signieren zu lassen, abgerundet.
«Für Christian, dessen Lieder und Texte weiterleben», lautet die Widmung des neuen Buches von Region Olten Tourismus für den beliebten Kinderliedermacher und Autor, der im Mai 2021 nach kurzer Krankheit verstarb. Christian Schenkers Text «Platz zum Spiele», welcher von einem Hexenzauber-Missgeschick handelt, ist denn auch Teil des 107-seitigen Buches «Das Schaukelpferd in Bichsels Garten». Insgesamt beinhaltet das Werk Geschichten von 19 Autorinnen und Autoren, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Teils in Mundart, teils in Hochdeutsch gehalten, wird einmal ein Buchschänder beklagt, ein anderes Mal eine mysteriöse Amaris mit dem Feldstecher beobachtet. Auch vier Geschichten von Peter Bichsel beinhaltet das Werk, in denen er lebhaft über seine Kindheitserinnerungen schreibt.
Buchhinweis: Das Schaukelpferd in Bichsels Garten. Geschichten vom Schweizer Schriftstellerweg, 107 Seiten, Knapp Verlag.