Gäu-Olten
Kommission und Bauern ziehen gegen Nitrat am gleichen Strang

90 Prozent des Trinkwassers stammt vom Grundwasserstrom im Dünnerngäu. Den Nitrat-Pegel des Wassers tief zu halten und damit die Qualität des Wassers zu sichern, wird weiterhin gemeinsames Ziel von Nitratkommission und der Bauern bleiben.

Liliane Manzanedo
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Rainer Hug, Lorenz Kissling und Bernhard Strässle im Phacelia-Feld, welches das Nitrat über den Winter speichern soll, damit es nicht ins Grundwasser absickert.

Rainer Hug, Lorenz Kissling und Bernhard Strässle im Phacelia-Feld, welches das Nitrat über den Winter speichern soll, damit es nicht ins Grundwasser absickert.

Hansruedi Aeschbacher

Wenn es um fliessendes Wasser und Trinkwasser geht, trifft Landwirt Lorenz Kissling aus Hägendorf den Nagel auf den Kopf: «Es ist eines der höchsten Güter überhaupt.» Seine Reisen nach Thailand oder Afrika, wo einige Menschen nicht einmal fliessendes Wasser haben, verdeutlichten ihm, dass ein Umdenken stattfinden muss.

Der Grundwasserstrom zwischen Oensingen und Olten ist ein kostbares Geschenk, welches mehr geschätzt und geschützt werden muss. Seit acht Jahren ist er deshalb freiwillig beim Nitratprogramm dabei, welches im Juli vom Bundesamt für Landwirtschaft um weitere sechs Jahre verlängert worden ist.

Komplizierter für die Bauern

Lorenz Kissling hält sich an die Programmvereinbarungen mit der Nitratkommission Gäu-Olten. Dafür musste er einige Veränderungen in seinem Betrieb vornehmen: Er hat sich eine Scheibenegge angeschafft, um den Boden schonender zu bearbeiten, auf Kartoffeln verzichtet er nun ganz, grosszügiges Weideland rund um seinen Hof ist hinzugekommen und seine Felder sind über den Winter immer bewachsen (beispielsweise mit Phacelia-Blüten).

«Für mich stimmt es so. Ich habe aber auch noch Felder, die nicht über dem Grundwasser liegen. Etwas weniger als die Hälfte meines Landes liegt im Projektperimeter. Ich denke, richtig kompliziert wirds für die Bauern, deren gesamtes Land zur Vertragsfläche wird», mutmasst Kissling.

Die Bauern, deren Felder oder ein Teil davon auf dem Projektperimeter liegen und die somit in ihrer Freiheit eingeschränkt werden, erhalten insgesamt eine Entschädigung von 910 000 Franken pro Jahr.

80 Prozent davon werden vom Bund, 20 Prozent von den Wasserversorgern übernommen. Für Bernhard Strässle, tätig im Sekretariat der Nitratkommission, ist wichtig zu erwähnen: «Die Verträge sind keine Verbote. Die Programme Nitratindex 23 oder 25 geben lediglich eine Punktezahl vor, die nicht überschritten werden darf. Jeder hat die beschränkte freie Wahl, wie er auf diese Punkte kommt.»

Anpflanzen dürfen die Landwirte also, was sie wollen — vorausgesetzt, sie erfüllen die Auflagen. Wenn Kissling also beispielsweise trotzdem Kartoffeln anbauen möchte, dann müsste er dies dafür mit zirka fünf Hektaren Grünweide ausgleichen.

(Noch) nicht alle machen mit

«Alle vorhandenen Bewirtschaftungsverträge mit den Bauern wurden auf freiwilliger Basis abgeschlossen», weiss Rainer Hug, Präsident der Nitratkommission. Insgesamt machen 65 Bauernbetriebe mit, was 1040 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche entspricht, die effektiv nitratarm behandelt wird.

Weitere 160 Hektaren, die der Dünnern entlang verlaufen, wurden stillgelegt. Noch nicht unter Vertrag sind ungefähr 10 Prozent der betroffenen Landwirtschaftsfläche, die überwiegend grossen Gemüseanbaubetrieben gehören.

In einer dritten Projektphase möchten Hug und Strässle auch diese im Programm begrüssen dürfen: «Den Gemüsebauern ist ihr Land viel wichtiger. Ihr Deckungsbetrag ist mit 20 000 bis 30 000 Franken pro Hektare etwa zehn Mal höher als derjenige von anderen Bauern. Wir werden sie niemals in derselben Höhe abgelten können. Deshalb müssen wir darüber reden.»

Es gebe die Möglichkeit einer Verfügung, die Kommission aber gibt sich optimistisch. Sie sei sicher, andere Lösungen und Kompromisse mit den Gemüsebauern zu finden. Wichtig sei, dass alle am gleichen Strang ziehen.

Was ist Nitrat?

In Form von Nitrat NO3 nehmen Pflanzen den wichtigen Nährstoff Stickstoff N auf. Obwohl Nitrat in geringen Mengen auch natürlich im Boden vorkommt, gelangt es hauptsächlich durch Düngung mit Hof- oder Mineraldünger in den Boden. Deshalb entsteht im Grund- und Trinkwasser eine hohe Nitratkonzentration vor allem dort, wo intensive Bodennutzung sprich wo intensiv Landwirtschaft betrieben wird.

Fruchtfolgen, Pflügen, fehlende Winterbegrünungen sowie stickstoffhaltige Dünger fördern die unerwünschte Auswaschung von Nitrat ins Grundwasser. Die Stickstoffverbindung NO3 ist für den menschlichen Körper nicht giftig, aber unverdaulich. Ein Teil wird ausgeschieden, der andere Teil bleibt im Körper und wird zu Nitrit umgewandelt, der den Sauerstofftransport im Blut erschwert.

Hoch riskant ist zu viel Nitrat für Kinder im ersten Lebensjahr. Es kann zu einer Krankheit namens Blausucht kommen. Sie wird durch Sauerstoffmangel im Blut ausgelöst. Das Kind leidet dann unter Atemnot und könnte daran ersticken.