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Lisa Christ redet im ersten Soloprogramm über Geschlechterstereotype, das Älterwerden sowie den Fitness- und Jugendwahn.
Mit strenger Frisur und Stab in der Hand, schreitet Lisa Christ auf die Bühne im Schwager Theater in der Oltner Industrie und beginnt, sich dem aufgehängten Bild von Adam und Eva zu widmen. Mit der betont ruhigen und hochgestochenen Sprache einer Dozierenden erläutert sie, wie Geschichten aus der Bibel die heutigen «geschlechterspezifischen Rollenmodelle» prägen. Bald wird ihre Sprache direkter, bleibt aber beim tadellosen Bühnendeutsch. «Der Mann», sagt sie den Stab direkt zwischen Adams Beine tippend, «kam, wie so oft, zuerst.» Sie spricht immer energischer und knallt den Stab auf den kleinen Tisch vor ihr. Kurz hält sie inne und beginnt dann, leiser, fast ein wenig verzweifelt, über die Unvereinbarkeit zwischen den inneren Werten und der äusseren Welt zu sprechen, mit der sie als Feministin leben muss. «Die Hoffnung auf eine Genesung von der patriarchalen Seuche scheint mir gering», sagt sie seufzend, um dann den Satz anzuhängen, der gleichzeitig der Titel ihres neuen Programms ist: «Ich brauche neue Schuhe.» Barfuss geht sie zum Sofa hinüber und schlüpft in ein Paar Finken.
Dies ist der Auftakt zu ihrem ersten abendfüllenden Programm, mit dem die mehrfach ausgezeichnete Oltnerin im vergangenen April Premiere feierte und in den nächsten Monaten noch auf mehreren Schweizer Bühnen zu sehen sein wird. Der nächste wütende Monolog der 28-Jährigen über bestehende Ungleichheiten lässt nicht lange auf sich warten und gipfelt im Satz: «Dabei hat niemand eine Ahnung von irgendwas!»
«Das ist aber viel Frust», kommentiert eine Stimme im Publikum flüsternd. «Aber recht hat sie», flüstert eine Zweite. Christ sitzt aufs Sofa, spielt ruhige Musik. Nachdenklich blickt sie umher und sagt: «Als Kind habe ich immer gedacht, nur ich weiss nichts.» Diese Widersprüche, die sie als Feministin mit sich selbst auf der Bühne ausmacht, sorgen dafür, dass sie nicht belehrend wirkt, wenn sie auf Themen wie #MeToo oder Lohnungleichheit zu sprechen kommt. Und wenn sie wie am Anfang von einer patriarchalen Seuche spricht, dann lässt sie einfliessen, dass nicht nur Frauen darunter leiden. Auch Männer sollen weinen dürfen. Denn: «In einer harten Welt weich zu sein, ist eine Rebellion.»
Auch über den Fitnesswahn regt sie sich humorvoll auf. «Weisst du, was da alles drin ist?», ahmt sie mit spitzer Stimme ernährungsbewusste Menschen nach, wenn sie vor Chips und Schokolade stehen. «Ich will das gar nicht wissen», findet Christ. «Ein geiles Leben muss ein kleines bisschen fett sein», findet sie. Ein roter Faden in ihrem Programm ist das Älterwerden: Sie spricht von Freundinnen, die Familien gründen. Von der verschwundenen Fähigkeit, nach mehreren Gläsern Wein ohne Kater aufzuwachen. Davon, wie sich Spass haben, mit den Jahren gewandelt hat: statt jeden Tag in den Europa-Park zu gehen, wie sie dies als Kind gern gemacht hätte, stellt sie fast staunend fest, dass sie heute spazieren geht. Und dass sie nicht alles weiss, so wie die meisten Erwachsenen. Sie schliesst ihr Programm damit, wie sie entsetzt die ersten grauen Haare entdeckt, um sich dann zu sagen: «Endlich muss ich nicht mehr jung und hübsch und cool und hip sein. Erwachsen sein, ist gar nicht so schlimm.»
Nach dem Schlussapplaus tritt sie erneut auf die Bühne. «Es ist immer speziell, in Olten zu spielen», erzählt sie in Schweizerdeutsch. Auf erneuten Applaus schliesst sie mit einer Zugabe über Paare beim Schlafen und über vermeintlich Romantisches und Unromantisches in Beziehungen.