Olten
«I bringe d’Bühni zu eu hei»: Aus der Not entsteht Onlineplattform für Kulturschaffende

«Kolt»-Herausgeber Yves Stuber will regionale Kulturschaffende mit der Onlineplattform Sofakultur.ch unterstützen.

Jocelyn Daloz
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Das eigene Wohnzimmer ist die neue Bühne: Saxofonist Simon Spiess musiziert von seinem Sofa aus.

Das eigene Wohnzimmer ist die neue Bühne: Saxofonist Simon Spiess musiziert von seinem Sofa aus.

Sofakultur.ch

«Hallo zäme, i bi de Simon. Normalerwiis isch d’Bühni mis deheime. Will das aber ned goht, brengi d’Bühni zu eu hei.»

Für Simon Spiess, Saxofonist, fühlt sich das Videodrehen noch fremd an. Aber wie er selber sagt: «Wir müssen uns alle an diese neue Situation gewöhnen.» Bereits zwei Videos hat er auf die Plattform Sofakultur.ch aufgeschaltet. Diese Website ist aus der Not entstanden: «Wir standen kurz vor der Produktion der Aprilausgabe von ‹Ausgehen in Olten›, als sämtliche kultu­relle Anlässe abgesagt wurden», erklärt Yves Stuber, der auch das Oltner Gesellschaftsmagazin «Kolt» herausgibt. «Das bedeutet für uns Einbussen. Aber ich musste auch an meine Kollegen denken, die kulturschaffend sind und denen der Lebensunterhalt plötzlich wegfällt.» Also hat Stuber so schnell wie möglich ein Konzept entworfen, um möglichst vielen zu helfen: «Wir haben mehrere bekannte Figuren der lokalen Musik- und Kulturszene angefragt. Neun machen im Moment mit.»

Aus dem Wohnzimmer, für das Wohnzimmer

Neben Simon Spiess haben sich auch Slampoetin Lisa Christ und ihr Berufskollege Kilian Ziegler, Musiker Collie Herb, Sängerin und Liedermacherin Denise Donatsch oder Tänzerin Pascale Utz dem Projekt angeschlossen. Auf der Website Sofakultur schalten sie Videos von zu Hause auf. Interessierte können diese abonnieren, indem sie einen Beitrag dafür zahlen. «Das Ziel wäre, dass Künstler daraus ein Mindesteinkommen ziehen können», erklärt Yves Stuber. Im Moment ist die Website noch ein Prototyp – Stuber hat ein Webtool der amerikanischen Videoplattform Vimeo verwendet. «Deshalb kann zurzeit nur in Dollars bezahlt werden», sagt er. Trotzdem haben bereits erste Unterstützer Geld spendiert: Seit Wochenbeginn sind rund 850 Franken eingegangen.

Das Ziel wäre, dass Künstler daraus ein Mindesteinkommen ziehen können.

(Quelle: Yves Stuber, Betreiber von Sofakultur.ch)

Diese Möglichkeit kommt den Künstlern, denen sämtliche Anlässe in März und April wegfallen, sehr entgegen. «Yves hat entdeckt, dass Notlage unter den Künstlern herrscht», sagt Kilian Ziegler. Der Slampoet und Kabarettist hat ein wenig Erspartes und Schreibaufträge, die weiter Geld einbringen. «Ich werde aber wohl noch beim Bund eine Anfrage um Unterstützung einreichen müssen», sagt der Oltner. Auch für Simon Spiess sieht die Lage nicht unbedingt rosig aus: «Im Moment kann ich meine Miete zahlen – aber den Rest nicht.» Auch der Dulliker will Hilfe beim Bund beantragen.

Positive Gedanken – trotz Krisensituation

Viele dieser Kulturschaffenden sehen die aktuelle Krisensituation aber auch als Möglichkeit, neue Herausforderungen wahrzunehmen. «Es war für mich eine tolle Erfahrung, was wir in einer Woche aufstellen konnten», sagt Yves Stuber. Simon Spiess meint: «Musiker sehen sich jetzt gezwungen, herauszufinden, was sonst noch alles möglich ist mit der modernen Technik.» Und auch Kilian Ziegler erklärt, dass Künstler in solchen Zeiten halt noch kreativer sein müssten, was aber auch mit Mehraufwand verbunden ist.

Letzteres bestätigt seine Künstlerkollegin Lisa Christ: «Momentan habe ich weniger Einkommen, dafür aber mehr Arbeit.» Denn auch sie sucht nach neuen Wegen, um von ihrer Kunst zu leben. «Ich muss alles neu ausrichten. Ich kann nicht einfach mein gesamtes Bühnenprogramm online stellen, sondern muss mir Gedanken darüber machen, was ich davon online stellen kann. Daneben werde ich neuen Content generieren – auf Plattformen, die mir fremd sind.» Werden nun alle Künstler aus der Not heraus zu Youtubern? «Das hatte ich eigentlich nicht vor», sagt Lisa Christ. «Aber wer weiss, vielleicht gefällt es mir ja!»