Oltner Tanztage
Hörspiele sind auch zum Tanzen da

Thomas Hauert und seine Tanzkompanie «ZOO» eröffneten die 20. Tanztage in OIlten. Die begleitende Musik sind zusammengeschnittene Hörspiele.

Liliane Manzanedo
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Bratschistin Noémie Bialobroda hat die «Saiten» in der Hand. Sie läuft Bratsche spielend rückwärts, seitwärts, vorwärts, die Menge folgt ihr. Einer der wenigen kompakten und synchronen Momente in «MONO» von Thomas Hauert (hinter Bialobroda).
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Eröffnung der Oltner Tanztage mit Tanzkompanie «ZOO»

Bratschistin Noémie Bialobroda hat die «Saiten» in der Hand. Sie läuft Bratsche spielend rückwärts, seitwärts, vorwärts, die Menge folgt ihr. Einer der wenigen kompakten und synchronen Momente in «MONO» von Thomas Hauert (hinter Bialobroda).

Hansruedi Aeschbacher

Die 20. Tanztage sind eröffnet. Happy Birthday dem zeitgenössischen Tanz in Olten! Oder wie es Landammann Roland Heim am Mittwochabend in der Schützi treffend zu formulieren wusste: «Olten hat schon wieder seine Tage.» Der Landammann lieferte witzige Zusammenhänge von Politik und Tanz: «Wir Politiker tanzen auch. Die Budgetdebatte zum Beispiel ist immer ein Eiertanz.»

Damit lockerte er die Stimmung auf der fast komplett besetzten Tribüne und machte den «tänzerisch unbedarften» – zu denen er sich selbst auch zählte – Mut, sich dem anzunehmen, was bald auf der Bühne geschehen würde. «MONO», der Eröffnungstanz, konzipiert geleitet und performt vom Solothurner Thomas Hauert. Mit im Boot: die belgische Tanzkompanie «ZOO».

Wo bleibt denn die Musik?

Mit Tanzen würde so mancher das Element Musik verbinden. Läuft Musik, zieht man in Erwägung zu tanzen. Läuft keine Musik, bleibt dieses von verschiedenen Beats, Stimmen oder Instrumenten ausgelöste Kribbeln im Körper aus, und verleitet nicht zum Tanzen, oder? Natasa (24) zumindest, die das erste Mal eine Aufführung der Tanztage besucht, bewegt sich am liebsten auf Konzerten und könnte sich nicht vorstellen, dies ohne Musik zu tun.

Nicht so Thomas Hauert, der unter anderem auch als «Bewegungsforscher» bekannt ist. Er möchte das körperliche Potenzial ausloten, neue Bewegungen erfinden und dabei der Improvisation grossen Raum lassen. In der Schützi tanzen Hauert und «ZOO» zu Originaltönen (Verkehrsgeräusche oder Schritte), Radiostimmen, Gesprächsausschnitten, Musikfetzen. Zum Teil überlappen sich die Töne. Es sind zusammengeschnittene Hörspiele.

Motor zu Hauerts Choreografie «MONO» war eine Kindheitserinnerung. Als kleiner Junge liebte er es, sich zu Hörspielen zu bewegen. Aus den Lautsprechern ertönt kein einziger längerer Musikabschnitt. Die Tänzer und Tänzerinnen bewegen sich dazu, als ob sie nichts anderes kennen würden. Sie bewegen sich mit einer faszinierenden Eigenart. Wie kommt man auf die Idee, sich so zu drehen, oder das Bein so hinzustellen?

Die eingebaute Livemusik der Bratschistin Noémie Bialobroda verspricht zumindest einigen schöne, klassische Musik als Ausgleich zu diesen trüben, schweren, abstrakten Hörspielsequenzen – falsch gedacht. Als Zuschauer stellt man bald fest, dass auch sie mit ihrer Bratsche keine Harmonie herstellen will. Im Gegenteil: Mit ihr, so scheint es, taucht ein Charakter auf, der eine erdrückende Macht darstellt.

Während alle anderen acht gleichgestellt zu sein scheinen – gleich verloren, gleich hilflos, gleich stark, gleich schwach – hat Bialobroda die Fäden beziehungsweise die Saiten in der Hand, um die Künstler zu manipulieren und kontrollieren.

«MONO», wirklich ironisch?

Wanda Puvogel, freischaffende Dramaturgin bei Danse Suisse, führte ins Werk «MONO» ein. Dabei erklärte sie, der Name sei ironisch, da er aus dem griechischen Begriff «monos» käme, was so viel bedeute wie einzig, allein: «Das Stück ist alles andere als einheitlich. Die Künstler scheinen zu tun, was sie wollen.» Aber vielleicht ist der Name auch treffend gewählt?

Auf der Bühne ist nämlich eine Horde von Einzelgängern, beinahe schon Egoisten, wahrzunehmen. Selbstverwirklichung könnte das Ziel sein. Sie scheitern aber aufgrund ihrer Unfähigkeit, alleine sein zu können. Dies lässt sich aus den leeren, traurigen und stets suchenden Blicken der einzelnen Tänzer und den regelmässig stattfindenden innigen Duetten, die aber immer wieder auseinandergehen und sich neu zusammensetzen, schliessen.

Plötzlich ertönt: «Nunca habia pensado ser presidente (ich wollte nie Präsident werden).» Das löst etwas aus. Hoffnung. Weshalb, ist ungewiss.