Olten
Gideons verbreiten Wort Gottes – auch ein Muslim greift zur Bibel

Gideonbund-Mitglieder haben am Donnerstag vor dem Frohheim-Schulhaus Schüler abgefangen und die Bibel verteilt.

Léonie Wüthrich und Janine Gloor
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Geschickt aufgestellt: Für die Schüler des Frohheimschulhauses führte kaum ein Weg an den Gideon-Mitgliedern und ihren Bibeln vorbei.

Geschickt aufgestellt: Für die Schüler des Frohheimschulhauses führte kaum ein Weg an den Gideon-Mitgliedern und ihren Bibeln vorbei.

Bruno Kissling

Für die Oberstufenschüler des Oltner Frohheimschulhauses gab es am Donnerstag kein Entkommen: Vier Herren der religiösen Gideon-Gemeinschaft hatten sich vor dem Mittag um das Schulhaus aufgestellt. Ziel der Gideons ist es, das Wort Gottes zu verbreiten. Dieses hatten sie in ungefähr zweihundertfacher Ausführung dabei.

Um Viertel vor zwölf ist die Schule aus, die Schülerinnen und Schüler strömen nach Hause. Praktisch alle werden von einem Gideon angesprochen, so auch Anouk Bitterli (15). «Der Mann streckte mir ein kleines Buch entgegen und sagte mir, ich könne eine Bibel zum Mitnehmen haben. Als ich fragte, wieso er sie verteilte, erwiderte er nichts und ging zur nächsten Schülerin über. Er wollte keine Auskunft zum Hintergrund geben.»

Auf Diskussionen wollen sich die Gideons nicht einlassen, das versichern sie vor einer Bibelverteilaktion der betreffenden Schule jeweils schriftlich. «Wir diskutieren oder evangelisieren nicht, wir bieten diese Testamente an! Die Annahme ist absolut freiwillig!», schrieb die Gruppe Aarau der Gideons International in einem Brief an die Schulleitung, der dieser Zeitung vorliegt.

Die Schulleitung hat sich auf die Gideons vorbereitet. «Wir haben die Schüler in den Klassen über die Verteilaktion informiert und darauf hingewiesen, dass sie nichts annehmen müssen», sagt Schulleiter Beat Tschumi. «Unsere Lehrer haben sich die Aktion angeschaut und werden in den Klassen Rückmeldungen entgegennehmen.»

Die Schule hat auch über die Gideons Erkundungen eingeholt. «Die Fachstelle für Sektenfragen hat uns bestätigt, dass es sich bei den Gideons nicht um eine Sekte handelt», so Tschumi.

Gideonbund

The Gideons International ist eine Vereinigung evangelikaler Geschäftsleute, welche 1898 in den USA gegründet wurde. Die Mitglieder müssen einer Kirche angehören. Mit regelmässigen Verteilaktionen der Bibel wollen sie das Wort Gottes weitergeben, eigene Gottesdienste gibt es keine.

Oft wird die Heilige Schrift in Hotels, Altersheimen und Spitälern ausgelegt. Der Druck der Bibeln wird mit Spenden finanziert. Laut eigener Angabe gibt es weltweit 270 000 Vertreter und Helfer in 200 Ländern. (LWU)

Auf Schulgelände nicht geduldet

Auch die rechtliche Situation wurde abgeklärt. «Wir haben ausdrücklich verlangt, dass sich die Gideons nur ausserhalb des Schulgeländes aufhalten», sagt Tschumi. Er finde es zwar etwas ungewöhnlich, dass Bibeln an Kinder verteilt werden. «Doch solange sich die Gideons unaufdringlich verhalten und nicht gegen das öffentliche Recht verstossen, sind uns die Hände gebunden.»

Dies bestätigt auch Astrid Bucher, Mediensprecherin der Kantonspolizei Solothurn: «Die Organisation wird nicht als extremistisch eingestuft», sagt Bucher. Die Gideons würden sich nicht strafbar machen, da sie sich auf öffentlichem Grund aufhalten. Dass ausserhalb des Schulgeländes andere Regeln gelten, zeigen auch die Zigaretten, die hier angezündet werden.
«Grüezi, darf ich Ihnen ein Testament mitgeben?», fragt ein Gideon.

Schon fast automatisch greifen viele Schüler nach dem farbigen Büchlein. Sehen die Schüler etwas jünger aus, fragt der Gideon: «Seid ihr schon in der vierten Klasse?» Walter Munz ist bei der Gideon Gruppe Aarau Leiter des Ressorts Schule. «Wir wollen keine Bibeln an Schüler abgeben, die unter elf Jahren sind», erklärt er.

Dann muss er das Gespräch kurz unterbrechen, weil eine Gruppe Schüler die Rampe hinunterkommt. Als sie die Bleichmattstrasse betreten haben, spricht er sie an. «Ich bin Muslim», meint ein Junge, nimmt aber trotzdem ein Exemplar. «Jetzt lernst du es, Achmed», sagen die anderen und lachen.

Werden die Schüler jetzt die Bibel lesen? Munz kann es auch nicht genau sagen. «Bei den Schülern haben wir die Übersicht nicht», sagt er. Doch es könne sein, dass eine Bibel über längere Zeit im Regal stehe und jemand in einem schwierigen Lebensabschnitt zum Glauben finde. Munz betont auch, dass die Gideons nicht auf der Suche nach neuen Mitgliedern seien. «Wir wollen christliche Werte verbreiten», sagt er.