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Nach 20-jähriger Amtszeit ist Fulenbachs Gemeindepräsident Hugo Kissling offiziell verabschiedet worden – mit roten Feuerwehrautos anstatt einem roten Teppich.
Offen gesagt: In Fulenbach hat man am Samstagabend alles aufgeboten, um dem CVP-Vertreter und Gemeindepräsidenten Hugo Kissling zum Abschied den samtenen rotfarbenen Teppich auszurollen. Bildlich gesprochen natürlich, denn der rote Teppich fehlte.
Dafür kamen die roten Fahrzeuge der Feuerwehr zum Zug. Der Dorfmagistrat wurde per Tanklöschfahrzeug und mit durchdringendem Martinshorn auf den Festplatz gefahren. Rund 150 Kommissions- und Vereinsvertreter, Funktionäre, Behördenmitglieder aus dem Dorf und der Nachbarschaft, Gemeindeangestellte hatten dort auf ihn gewartet.
Kissling hatte von dem ihm bevorstehenden Rummel nichts gewusst – ja nach eigenem Bekunden nicht einmal geahnt. Zu Hause hätten ihm die Feuerwehrleute erklärt, ihn auf eine Spritzfahrt mitnehmen zu wollen, sagte er bei seiner Ankunft.
«Ich hab denen gesagt, ich sei unter Druck und es müsse aber schnell gehen, weil um halb sieben ein Familienfest auf dem Rumpel anstehe», erklärte der scheidende Dorfoberste die verzwickte Situation. Aber bei allem Zeitdruck: Er war eingestiegen und – auf dem Festplatz ausgeladen worden.
Dort wartete natürlich auch die Familie. Selbst sie hatte dichtgehalten, vor allem seine Kinder, obwohl diese – stets zu Ehrlichkeit und vor allem «tief schwarz» erzogen worden seien, wie Kissling der Festgemeinde scherzhaft zu erklären suchte. Schwamm drüber: Das Fest jedenfalls war lanciert.
Offen gesagt: Es war unkompliziert, dieses Fest. Und sämtliche Befürchtungen, die Sache rund um Hugo Kissling und dessen 20-jährige Amtszeit als Gemeindepräsident könnte in gesellschaftlich-konventioneller Steifheit enden, waren unbegründet.
«Es isch wahnsinnig», sagte die Hauptperson des Abends immer wieder und irgendwann mal meinte er in einem offiziellen Statement an seine Amtskollegen aus den Nachbardörfern: «Jetz chönnet der mou luege, wie’s z’Fulenbach abgoht.» Er, Kissling, habe nämlich bei offiziellen Treffen der Gemeindepräsidenten stets betont, wie schön es doch in Fulenbach sei und wie gut der Zusammenhalt dort funktioniere.
«Ich bin froh, dass meine Kolleginnen und Kollegen das jetzt mal erfahren», so Kissling schon fast erleichtert. Und es gehörte auch dazu, dass er bekannte: «Ich habs gern gemacht als Gemeindepräsident. Das sag ich offen. Es war eine schöne Zeit. Aber einmal hört die Fasnacht auf.» Punkt. Ende der Durchsage.
Da passte die Bemerkung seines Amtsvorgängers und Parteikollegen, Stephan Jäggi, nicht mal schlecht, der von Kissling behauptete, der habe stets nach dem Lustprinzip gehandelt. «Dienen entsprach seinem Verständnis», so Jäggi. Einen kleinen Schlenker konnte sich der Alt-Ammann aber nicht verkneifen:
Nachdem mit Kisslings Nachfolger Thomas Blum erstmals in der Geschichte des Dorfes einer mit dem Gütesiegel FDP regiert, habe er, Jäggi, auf dem Fulenbacher Friedhof plötzlich Erhebungen im Boden wahrnehmen müssen. «Da bin ich draufgekommen: Das müssen jene CVP-Vertreter sein, die sich darob im Grab umgedreht haben.»
Offen gesagt: In Fulenbach hat die Parteizugehörigkeit eines Gemeinderats nie eine dermassen prägende Rolle gespielt, wie dies etwa in Wolfwil der Fall war oder allenfalls noch immer ist. Und so kommt es, dass man sich in Fulenbach mittlerweile stets rühmt, Parteigrenzen gesprengt und die Parteipolitik über «Bord geworfen zu haben», wie Thomas Blum in Erinnerung rief. Auch dazu habe Hugo Kissling beigetragen. «Es ging ihm stets um das Wohl Fulenbachs.»
Und nach dessen 20-jähriger Amtszeit steht fest: Auf einer soliden finanziellen Basis können Strategien wie «qualitatives vor quantitativem Wachstum», Mehrzweckgebäude oder erfolgreich operierende Elektra Fulenbach angegangen oder vervollkommnet werden. «Hugo hat das alles mit viel Geschick möglich gemacht», bilanzierte Blum.
Mit insgesamt rund 350 Gemeinderatssitzungen, zehnmal so viel behandelten Geschäften und – in Teamarbeit. So viel Lob verdient Anerkennung und so erhielt Kissling aus den Händen des offiziellen Fulenbachs – logisch – eine Fulenbacher Fahne und ein Bildermedley des Oltner Künstlers Hans Küchler. «Es isch wahnsinnig», sagte Kissling und auf allfällige Mängel seines Wesens befragt, meinte der 70-Jährige nach kurzem Überlegen: «Vielleicht bin ich etwas zu impulsiv; manchmal, jedenfalls in früheren Jahren, zu nah am Wasser gebaut.» Aber vor allem, und das sei eigentlich gar keine Schwäche, habe er sich immer gegen Ungerechtigkeiten gewehrt.
Offen gesagt: Hugo Kissling war stets populär, vertraut, bekannt. Wer am Samstag ans Rednerpult schritt, legte Zeugnis davon ab. Ob Willi Bhend (SP Fulenbach), Roman Jäggi (SVP Fulenbach), Remo Zamarian (SC Fulenbach) oder Walter Kiener (HMG Fulenbach). Der seit mehr als 35 Jahren im Dienst der Öffentlichkeit stehende Kissling hat, glaubt man Wolfwils Gemeindepräsident Georg Lindemann, nur einen Makel:
Einst als Schläfer von Wolfwils Gnaden eingesetzt (Kissling ist auch Wolfwiler), hätte er im Auftrage Wolfwils herausfinden müssen, wie die Fulenbacher so zum fröhlichen Völklein geworden seien.
Aber: Kissling habe sich von seinem offiziellen Auftrag verabschiedet und sei völlig in die Tiefen des Nachbardorfs abgetaucht, ohne jemals wieder Meldung gen Westen gemacht zu haben. Man werde sich trotzdem auch in Zukunft vertragen, so der Wolfwiler. Dass man sich in Wolfwil aber damit abfinde, in Fulenbach den besseren Dorfgeist zu finden, sagte er nicht. Und was meinte Kissling selbst dazu? «Es isch wahnsinnig.»