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Industrietaucher, Holz- und Tiefbauer, Ingenieure: Die alte Brücke in Olten ist derzeit Heimat unterschiedlichster Berufsgattungen und feinem Holz.
Kein Badewetter und trotzdem im Wasser: Vier bis fünf Grad warm ist die Aare derzeit und trotz winterlichem Niedrigwasser ist der Fluss «ganz schön auf Zug», wie Serge Stephany aus Basel sagt. Er ist einer von zwei Industrietauchern, die derzeit mit gut zehn Kilogramm schwerem Handgerät an den Brückenpfeilern zu Gange sind: «Die Temperaturen sind noch nicht mal so schlimm», sagt der Basler, «viel belastender ist, sich den ganzen Tag dem Zug der Aare entgegenzustellen und mit dem über 10 kg schweren Handgerät zu arbeiten.»
Stephany und sein Mitarbeiter sind derzeit mit die Trockenlegung des Mitteljochs beschäftigt. Mit der Sanierung der Brand geschädigten Brücke werden nämlich gleichzeitig auch die vom Wechselwasser gezeichneten Pfeilerbalken ausgetauscht. Überraschung für Laien: Nicht der ganze Teil muss ausgewechselt werden. Die Pfeilerbalken sind nicht, wie man aus der Ferne meinen könnte, aus einem Guss, sondern bestehen aus einzelnen Teilen, die via Überplattung, einer klassischen Holzverbindungstechnik, verbunden sind. Daneben ist Stephany auch als Beobachter unter Wasser aktiv: «Der Abprallschutz ist auch nicht mehr der beste», meldet er bei Feierabend an den Hauptverantwortlichen.
Adressat: Projektleiter und Bauingenieur Daniel Aerni; er hat als eigentlicher Kapitän auf der Brücke den Überblick, fragt mal hier und mal da nach, wirft einen Blick auf die Wasserhaltung. So nennt sich der trocken gelegte Raum um den Pfeilerfuss, der einer Bootsform ähnelt.
Jenseits der Schalungsbretter, die den Trockenbereich eingrenzen, fliesst die Aare vorbei. Für Laien ein eigenartiges Gefühl. Nicht so für Aerni. Er streicht mit der Hand fast liebevoll über einen der neu eingesetzten Balken, knapp 2,2 m hoch und an die 300 kg schwer. «Ein schönes Stück Holz; Eiche, aus einem Stamm geschnitten, ohne Fehler», sagt er. Solch hochwertiges Material sei nicht einfach zu finden, reicht er nach.
Man habe Wert gelegt auf ein einheimisches Produkt. «Eiche eignet sich deshalb, weil dem Hartholz die Wechselwasserphasen am wenigsten anhaben können», so Aerni, der die Konstruktion von Blasius Balteschwiler, dem seinerzeitigen Schöpfer der alten Brücke von 1803, schier wie seine Hosentasche kennt. «Es ist von Vorteil, dass ich beruflich schon lange mit der Holzbrücke in Olten verbunden bin», sagt er. Da lerne man bestimmte Eigenheiten kennen. Ein Blick ins Konstruktionsinnere des Bauwerks verrät, was Aerni damit meint. Für Laien wirken manchen Balken ohne Funktion, für den Fachmann dagegen gibts an der Konstruktion Balteschwilers nichts Überflüssiges. «Wer sich mit dem Plan- und Konstruktionswerk befasst, weiss, dass jedes Element seine Bedeutung hat», so der Bauingenieur, während einer der Tiefbauer den Stahlschuh, auf welchem der Pfeiler ruht, eben untergiesst. Damit der Schuh auf der Betonunterlage auch schön plan zu liegen kommt.
Pro Joch sind drei Wochen für die Sanierung beziehungsweise Erneuerungen der Pfeiler vorgesehen. Macht insgesamt neun Wochen. «Wir sind im Fahrplan», sagt Aerni und blickt auf den Wasserspiegel der Aare. Zwar ist schönes, trockenes und fast warmes Wetter angesagt, aber das könnte auch zu einer erhöhten Schmelzwasserzunahme führen. «Rund 40 cm Spielraum haben wir derzeit. Steigt der Wasserspiegel um mehr als diese Höhe an, werden die Wasserhaltungen geflutet, verschlechtert sich die Sicht für die Taucher.» Was einem Unterbruch der Arbeiten gleichkäme.
Viele Schäden hätten sich erst vom Gerüst aus näher beurteilen lassen. weiss Aerni. «Manchmal sieht es schlimmer aus, als es in Wirklichkeit ist.» Scheinbar verkohlte Träger sind lediglich an der Oberfläche angebrannt. Klopft man die Kohlekruste weg, kommt nach wenigen Millimetern absolut gesundes Holz zum Vorschein. «In solchen Situationen ist keine Gefahr in Verzug», so Aerni und zeigt auf Schwellenholz, das seinerseits das Zeitliche gesegnet hat. Allerdings nicht des Brandes wegen, sondern durch die Beanspruchung des Wassers. «Ist noch nicht mal so alt, knapp 25 Jahre», sagt Aerni. Und er weiss: Es gibt Interessenten da, als Erinnerungsstücke. Man weiss bloss noch nicht, wie die Ware unter den Interessierten zu verteilen ist. Aerni lacht.
Natürlich interessieren die tragenden Teile der Brücke am meisten. Aber ein Blick den Brückenboden, der aktuell mit dem Steg überwunden wird, verrät: Rund 230 Quadratmeter müssen ersetzt werden. Hauptsächlich im Abschnitt Brückenmitte, wo der Brandherd von Ende März 2018 verortet ist bis zum Brückenkopf Ost. «40 Prozent des gesamten Brückenbodens werden ausgewechselt», sagt Aerni. Auch dabei spielt die Holzwahl eine Rolle, denn ein planer Brückenboden erträgt keine Hölzer, die sich verwinden und vorstehen: Stolpergefahr. Deshalb kommt Weisstanne infrage. Und weil Tannen von Alters her zu einer der bevorzugten Holzarten für tragendes Gebälk gehören, findet diese Holzart auch für den oberen Teil der Pfeiler, der nicht von Wechselwasser beansprucht wird, Verwendung.
Bleiben noch die heimtückischen Ritzen und Spalten am Rand des Brückenbodens. In der Vergangenheit sammelte sich dort allerlei brennbarer Unrat und im Zusammenwirken mit brennenden Raucherwaren hatte dies verheerende Folgen. «Alles abzudichten ist praktisch unmöglich», sagt Aerni. Deshalb spielt man auch mit dem Gedanken, die Spalten etwas grösser zu machen. «Damit nichts Brennbares hängen bleibt», so Aerni. Man weiss ja nie.