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Die Stadt Olten macht im Jahr 2019 einen Gewinn von fast 10 Millionen Franken – das sagen die sechs Fraktionen zum überraschenden Überschuss.
Die Stadt Olten schreibt bei der Rechnung 2019 einen Gewinn von 9,9 Millionen Franken. Vorgesehen war im zweiten Budget – nach dem Volks-Nein zum ersten Entwurf mit der Steuererhöhung – ein kleines Plus von 43'000 Franken. Die sechs Fraktionen des Parlaments äussern sich auf Anfrage dieser Zeitung zum überraschend positiven Abschluss.
Bürgerliche Fraktionen wie die FDP unterstreichen, dass Olten kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem habe. «Der Stadtrat und linke Parteien wollten vor 18 Monaten die Ausgaben über Jahre massiv erhöhen, die bereits hohen Steuern in drei Schritten weiter nach oben schrauben und gleichzeitig die Schulden explodieren lassen», schreibt Fraktionschef Urs Knapp. Der positive Rechnungsabschluss könne nun auch mithelfen, die «negativen finanziellen Auswirkungen der Coronapandemie abzufedern». Zudem gehe der Millionenüberschuss nicht auf Kosten der Investitionen: «Olten verfolgt seit vielen Jahren eine angemessene Investitionstätigkeit.»
In den Augen der CVP-EVP-GLP-Fraktion braucht es trotz des Gewinns «weiterhin eine strikte Budgetdisziplin». Denn die Steuererträge werden wegen der Coronakrise und der Steuervorlage 18 sinken. «Wer von paradiesischen fiskalen Zuständen ausgehen will, unterliegt einer Fata Morgana», schreibt Christian Ginsig. Und wer jetzt leichtfertig Steuererhöhungen fordere, verkenne den Ernst der Lage der Oltner Wirtschaft und in weiten Teilen der Bevölkerung. Die Stadt solle sich auf die Kernaufgaben fokussieren und nun «nicht irgendwelche Schleusen öffnen oder Investitionsprogramme lancieren».
Die SVP kommt in ihrem Statement zum Schluss, dass «das Nein zum Budget 2019 richtig war». Eine selbstkritische Aufarbeitung sei nun mehr als angebracht, schreibt Parteipräsident Philippe Ruf. Zudem sei er der Meinung, dass bei den Wahlen nächstes Jahr «der Stadt eine Gesamterneuerung im Stadtrat sehr gut tun würde».
Die drei linken Fraktionen verweisen wie die Grünen in ihrer Mitteilung auf Sondereffekte wie den Verkauf der Alpiq-Aktien, die Auflösung der ERO-Vorfinanzierung und den höheren Ertrag der Städtischen Betriebe Olten. Zudem seien einmal mehr die Steuereinnahmen – diesmal der juristischen Personen – tiefer eingeschätzt worden, als sie effektiv ausfielen. Der Kommentar der Grünen Parteipräsidentin Myriam Frey Schär dazu: «Einnahmen nicht vorauszusehen, um dann von allfälligen Überschüssen überrascht zu werden, ist eben auch ein bewährtes Mittel, um das Budget künstlich schlank zu halten. Geld, von dem man noch nichts weiss, kann man schliesslich auch nicht ausgegeben.» Nicht zuletzt erinnern die Grünen an das halbe Jahr ohne rechtskräftiges Budget: Die Bevölkerung hätte auf Leistungen der Stadt verzichten müssen, und gleichzeitig schiebe Olten nun «eine noch grössere Bugwelle nicht getätigter, aber dringend nötiger Investitionen vor sich her».
«Fünf Mal Jackpot», schreibt Olten jetzt! in ihrer Stellungnahme auf der Website zum Zehn-Millionen-Gewinn. Die Fraktion verweist dabei auf die zusätzlichen juristischen Steuereinnahmen, den Verkauf der Alpiq-Aktien oder die Auflösung der ERO-Vorfinanzierung. Ohne dies blieben «alles in allem noch rund fünf Prozent des grandiosen Ergebnisses übrig». Olten jetzt! geisselt die zu tiefe Investitionstätigkeit, die aus ihrer Sicht jährlich rund 16 Millionen Franken betragen müsste. 2019 betrugen die Nettoinvestitionen 11,7 Millionen Franken.
Auch die Freude der SP/junge SP-Fraktion über das «vermeintlich überragende Ergebnis» hält sich in Grenzen. «Die Stadt ist kein privates Unternehmen, dessen primäres Ziel es ist, Gewinn zu erwirtschaften», schreibt Co-Fraktionschef Florian Eberhard. Auch die Genossen kritisieren das tiefe Investitionsvolumen: Olten hätte bisher keinen Plan für attraktive Veloverbindungen, befriedigende Tagesstrukturen, ein Konzept für das Netto-Null-Ziel beim CO2-Ausstoss bis 2030 oder ein Projekt für einen attraktiveren Ländiweg. «All diese Projekte für ein lebenswertes Olten wurden mit dem Argument ‹angespannte Finanzlage, wir müssen sparen› bekämpft.» Der Überschuss sei daher kein Grund zur Freude, sondern «ein Ärgernis über verpasste Chancen und falsche Argumente», schreibt die Fraktion.