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Die SVP will mit der Selbstbestimmungsinitiative den Vorrang der Bundesverfassung vor Völkerrecht und internationalen Verträgen festsetzen. Mit Hans-Ueli Vogt konnte die städtische SVP den Vater der Vorlage vom 25. November nach Olten locken.
Beim Podiumsgespräch zwischen den beiden Nationalräten Hans-Ueli Vogt und Kurt Fluri über die Selbstbestimmungsinitiative wurde dem Laien schnell einmal klar, dass sich da zwei Juristen auf hohem argumentativen Niveau duellierten: auf der einen Seite der Zürcher Professor für Wirtschaftsrecht, der als geistiger Vater der Abstimmung vom 25. November die Vorlage wie kein anderer bestens zu vertreten weiss. Auf der anderen Seite der Solothurner Stadtpräsident, der die Masseneinwanderungsinitiative aus der gleichen Küche aus seiner Sicht verfassungskonform umgesetzt hat und als FDPler der SVP immer wieder Paroli bietet.
Die rund 45-minütige Diskussion im gut besetzten Kino Capitol am Mittwochabend verlief sachlich, mit zum Teil langen Voten, die aber vom jeweiligen Kontrahenten nie unterbrochen wurden. Gesprächsleiter Urs Huber, Redaktor des Oltner Tagblatts, musste sich bemühen, ab und an selbst eine Zwischenfrage zu stellen. Die beiden hätten wohl auch ohne Moderator ein faires Streitgespräch führen können.
Der Auslöser der Selbstbestimmungsinitiative war laut Hans-Ueli Vogt die vom Volk angenommene Ausschaffungsinitiative – kriminelle Ausländer sollten etwa wegen schweren Delikten gegen Leib und Leben oder Drogenhandel ausgewiesen werden –, aber in dieser Form nicht umgesetzt wurde. So werden etwa wegen der Personenfreizügigkeit kaum kriminelle EU-Ausländer ausgeschafft, weil die bilateralen Verträge höher gewichtet werden. Sie müssten laut Vogt schon die öffentliche Ordnung gefährden.
Kurt Fluri hingegen stellte die Ausschaffungs- oder Masseneinwanderungsinitiativen in einen grösseren historischen Zusammenhang. Die Stimmbevölkerung hätte die bilateralen Verträge mit der Personenfreizügigkeit mehrmals bestätigt. Die Durchsetzungsinitiative, welche die Ausschaffungsinitiative wortgetreu hätte umsetzen sollen, sei an der Urne gescheitert. Auch gegen die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative mithilfe der Härtefallklausel sei das Referendum nicht ergriffen worden. Fluri warf in dieser Hinsicht der SVP ein falsches Spiel vor: Wenn die Partei frühere Volksentscheide kippen wolle, solle sie doch direkt dazu eine Initiative lancieren, etwa zur Aufhebung der bilateralen Verträge – und diese nicht über die Hintertüre aushebeln.
Für Vogt hingegen ist immer der neueste Entscheid des Volks massgebend, wenn er einem alten widerspricht: Das sage nicht nur der gesunde Menschenverstand, sondern auch die Rechtsprechung, weil sonst ein Entscheid ja gar nicht mehr korrigiert werden könnte. Zudem ärgert sich Vogt über Fluris Bemerkung, dass ja das Referendum ergriffen werden könne, wenn eine Initiative nicht so umgesetzt würde, wie das Volk entschieden hätte. «Die Verfassung ist doch von den Parlamentariern zu beachten.»
Darauf kam auch Fluri zu sprechen, als er auf Artikel 190 in der Bundesverfassung verwies, dass Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend seien. «Das Bundesgericht muss die Europäische Menschenrechtskonvention einhalten.» Zudem sei das Völkerrecht sinnvoll, weil die Schweiz als Kleinstaat nicht dem Recht des Stärkeren ausgeliefert wäre. Nicht zuletzt wäre nach einem möglichen Volks-Ja nicht klar, wie etwa der Widerspruch zwischen Schweizer Verfassung und der Menschenrechtskonvention aufgelöst würde.
Müsste die Schweiz die Konvention kündigen oder erst dann, wenn ein Bundesgerichtsurteil vorliege? Nein, antwortet Vogt darauf, es sei kein starrer Kündigungsmechanismus mit der Initiative verbunden. Der Verweis aufs Völkerrecht wäre in der Bundesverfassung immer noch drin. Selbst wenn einzelne Gerichtsentscheide zum Konflikt mit internationalem Recht führten, müsste abgewogen werden, ob man zum Beispiel die Menschenrechtskonvention kündigen wolle oder nicht.
Zudem bräuchte es laut Vogt für die Kündigung wichtiger Verträge einen Parlamentsbeschluss, der dann auch wieder dem Referendum unterstünde. Ferner zeige die tiefe Quote von rund 1,5 Prozent der Fälle, bei denen die Schweiz vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügt werde, dass es gar keinen grossen Konflikt gebe zwischen der Bundesverfassung und der Menschenrechtskonvention. Vogt: «Die ganze Aufregung ist eigentlich für nichts.»