Olten
Finanzdirektor zur Coronakrise: «Wir rechnen mit Verlust von 6 Millionen Franken»

Der Oltner Finanzdirektor Benvenuto Savoldelli sagt, welche Folgen die Coronakrise für die Stadtkasse haben könnte – nach der positiven Rechnung 2019 von knapp 10 Millionen Franken Gewinn.

Interview: Fabian Muster
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Benvenuto Savoldelli rechnet in 2020 mit höherem Minus als budgetiert.

Benvenuto Savoldelli rechnet in 2020 mit höherem Minus als budgetiert.

Bruno Kissling

Die Rechnung 2019 schliesst mit fast 10 Millionen Franken Gewinn, obwohl der Stadtrat im Herbst 2018 fürs erste Budget 2019 sogar eine Steuererhöhung vorgesehen hat. Im Nachhinein zeigt sich nun, dass das Volks-Nein zum ersten Budget richtig war. Wie sehen Sie das?

Benvenuto Savoldelli: Wenn man es so anschaut schon. Wir konnten allerdings nicht erwarten, dass es bei den juristischen Personen Nachzahlungen von 4,4 Millionen Franken gibt. Das hat am meisten eingeschenkt. Wir wussten vorher auch nicht, dass die Alpiq-Aktien verkauft werden müssen, weil sie von der Börse genommen werden. Zudem sind wir beim Sachaufwand über eine Million tiefer als budgetiert.

Fast 10 Millionen Gewinn statt eine schwarze Null gemäss zweitem Budget 2019 ohne Steuererhöhung – das erste Budget 2019 mit Steuererhöhung sah sogar einen Verlust von 350'000 Franken vor. Wie kann sich die Finanzdirektion so verrechnen?

Das hat mit Verrechnen nichts zu tun! Viele Mehrerträge sind Sonderfaktoren, die zum besseren Abschluss beigetragen haben wie die bereits erwähnten Mehrerträge durch Firmensteuern und die Alpiq-Aktien. Beides macht alleine schon rund 7 Millionen Franken aus.

Wie stark wird der Einfluss der Coronakrise aufs laufende Rechnungsjahr sein? Das Budget 2020 weist ohne Steuererhöhung einen Verlust von 65'0000 Franken auf.

Das ist derzeit schwierig abzuschätzen. Trotzdem haben wir mal einen Versuch gemacht und Ende April als Grundlage genommen: Wir rechnen damit, dass die budgetierten Zahlen nicht eingehalten werden können, unter anderem auch wegen der ergriffenen Coronamassnahmen auf Stadtebene wie die erlassenen Parkplatzgebühren für zwei Monate. Konkret rechnen wir derzeit mit einem Verlust von 6 Millionen Franken aufs gesamte Jahr gesehen.

Hat sich der Stadtrat wegen des drohenden Verlusts bereits über Sparmassnahmen Gedanken gemacht?

Nein, wenn das Jahr so herauskommt, wie wir es mit dem Defizit berechnet haben, ist es für die Stadtfinanzen dank des guten Rechnungsabschlusses 2019 tragbar. Wie es am Ende des Jahres aussieht, gleicht derzeit einem Kaffeesatzlesen.

Müssen neue Schulden aufgenommen werden?

Davon gehe ich aus. Das Gemeindeparlament hat uns mit dem Budget 2020 die Kompetenz erteilt, 10 Millionen Franken neu aufzunehmen. Sollte dieser Betrag nicht ausreichen, müssten wir damit nochmals vors Parlament. Derzeit betragen die verzinslichen Finanzverbindlichkeiten 67 Millionen, wovon wir 15 Millionen mit einem derzeitigen Zinssatz von 1,187 Prozent noch in diesem Jahr zurückzahlen müssen. Ich nehme an, dass wir neue Schulden mit einem viel tieferen Zinssatz aufnehmen können.

Wie sehen die Rückmeldungen aus der Oltner Wirtschaft aus, wie sich die Steuererträge für dieses Jahr entwickeln?

Bei den juristischen Personen haben wir das Glück, dass die grössten Firmen krisenresistent sind. Allerdings rechnen wir Stand Ende April auch mit Mindereinnahmen von 2,3 Millionen Franken. Wahrscheinlich gibt es allerdings noch Nachzahlungen aus den Vorjahren, die wir bisher nicht einberechnet haben. Bei den natürlichen Personen inklusive Quellensteuern rechnen wir mit einem Minderertrag gegenüber dem Budget von 3 Millionen.

Könnte wegen der Mindereinnahmen eine Steuererhöhung zum Thema werden?

Der Budgetprozess fürs Jahr 2021 ist bei den einzelnen Direktionen mit angepassten Richtlinien eingeleitet: So sollen sie nicht zusätzliche Ausgaben vornehmen wie mehr Personal einstellen oder höhere freiwillige Leistungen tätigen. Je nach dem, wie diese Rückmeldungen ausfallen, wird der Stadtrat entscheiden, ob eine Steuererhöhung in Betracht gezogen wird oder Sparmassnahmen nötig werden. Bisher hatte der Stadtrat ja den Grundsatz, dass Steuererhöhungen für grosse Investitionen wie das neue Kleinholz-Schulhaus oder den Bahnhofplatz vorgesehen sind. Wenn wir davon abweichen wollen, müssten sich die Zahlen in den kommenden Monaten schon massiv verschlechtern.

Nächsten März sind Stadtratswahlen. Wissen Sie nun, ob Sie erneut antreten?

Definitiv habe ich mich noch nicht entschieden. In den nächsten Wochen werde ich mich mit der FDP besprechen und danach einen Entscheid fällen. Aber mit dem Ruf als «Krisenmanager» sind besondere Zeiten wie diese natürlich eine Herausforderung für mich. Trotz allen negativen Folgen ist es derzeit sehr spannend. Es würde mich daher reizen mitzuarbeiten, bis diese Krise ausgestanden ist. Das heisst, ich bin derzeit sicher motivierter als Mitte März, als Sie mir dieselbe Frage gestellt haben (lacht).

So kommt der Gewinn der Rechnung 2019 zustande

Nach 10,3 Millionen Franken im Jahr 2018 schliesst auch die letztjährige Rechnung mit einem satten Gewinn von 9,9 Millionen Franken ab. Zur Erinnerung: Im ersten Budgetentwurf 2019 verlangte der Stadtrat noch eine Steuererhöhung von 4 Punkten für die natürlichen respektive 2 Punkten für die juristischen Personen. Trotzdem sah das Budget damals einen Verlust von 350'000 Franken vor. Nach dem Volks-Nein im März 2019 zum ersten Budget 2019 legte der Stadtrat Ende April ein zweites Budget 2019 ohne Steuererhöhung mit leichtem Überschuss von 43'000 Franken vor.

Die Verbesserungen gegenüber dem zweiten Budget 2019 sind vor allem auf drei Faktoren zurückzuführen: Erstens kann die Stadt mit höheren Erträgen bei den Firmen rechnen, insgesamt geht die Finanzdirektion von 4,4 Millionen Franken aus. Zweitens wurde der 0,18-prozentige Anteil der Alpiq-Aktien im vergangenen Jahr verkauft, weil diese von der Börse genommen wurden. Das spülte netto 2,65 Millionen zusätzlich in die Stadtkasse. Und drittens war der Sachaufwand wie Material oder baulicher und betrieblicher Unterhalt um 1,1 Millionen tiefer als budgetiert. Weiter wurde eine Vorfinanzierung in Höhe von 870'000 Franken für die ERO aufgelöst, das Dotationskapital der Städtischen Betriebe wird um 500'000 Franken höher verzinst und die Lehrerbesoldung fiel um 311'000 Franken tiefer aus. Im Gegensatz dazu gab es auch Mehrkosten etwa wegen höherer Abschreibungen von 432'000 Franken.

Die Nettoschulden konnten in den letzten fünf Jahren von über 4000 Franken auf aktuelle 1550 Franken pro Kopf reduziert werden. Die Schuldenlast beträgt derzeit insgesamt 67 Millionen. Die Stadt muss in diesem Jahr weitere 15 Millionen zurückzahlen, erwartet aber wegen der Coronakrise auch neue Schulden (siehe Interview links). Der Selbstfinanzierungsgrad betrug 2019 129 Prozent. Alle Nettoinvestitionen von 11,7 Millionen konnten daher ohne Neuverschuldung bezahlt werden. (fmu)