Wochenkommentar zu Olten SüdWest
Es braucht einen richtigen Neuanfang

Wochenkommentar zur geplanten Gestaltungsplanänderung in Olten SüdWest.

Fabian Muster
Fabian Muster
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Olten SüdWest: Die vorgesehene Änderung des Gestaltungsplans stösst nicht überall auf Gegenliebe. Vor allem die Möglichkeit variabler Geschosszahlen stösst sauer auf.

Olten SüdWest: Die vorgesehene Änderung des Gestaltungsplans stösst nicht überall auf Gegenliebe. Vor allem die Möglichkeit variabler Geschosszahlen stösst sauer auf.

Bruno Kissling

Olten SüdWest könnte ein Segen sein für die Stadt. Das ehemalige Areal des Zement- und Kieswerkes Hunziker ist mit 24 Hektaren Fläche eines der grössten Entwicklungsgebiete im Mittelland. Auf diesem riesigen Gebiet könnten die Planer etwas völlig Neues entstehen lassen, das nicht wie die übrige Stadt langsam historisch gewachsen ist mit all ihren Vor- und Nachteilen. Für Olten böte sich hier die Gelegenheit, ein Vorzeigequartier entstehen zu lassen.

Die von der Restschweiz oft belächelte Stadt würde fortan nicht nur auf ihren Bahnhof mit dem Kilometer-Null-Stein reduziert. Die Oltner dürften stolz sein, nach Basel, Bern und Zürich ausschwärmen und vom neuen Stadtteil Olten SüdWest erzählen, neue Einwohner würden auch ohne teure PR-Aktionen wie das Probewohnen in die Dreitannenstadt ziehen und Alex Capus würde nicht ein Buch schreiben über eine schummrige Bar an einer lauten Hauptstrasse, sondern den neuen Stadtteil literarisch verewigen – am besten gleich noch unter einem neuen Namen.

Trotz dem etwas überzeichneten Bild: Die Hoffnung, dass Olten SüdWest mehr wird als nur ein neues Wohnquartier, hat die Stadtregierung selbst immer wieder betont. Auf der Homepage von Olten steht beispielsweise: «Nicht ein gewöhnliches Wohn- oder Gewerbegebiet ist das Ziel dieser Entwicklung, sondern ein gemischter und qualitätsvoller neuer Stadtteil.» Der neue Stadtteil soll dereinst 4000 Einwohner umfassen und 1300 Arbeitsplätze bieten.

Die anfängliche Begeisterung darüber hat in der Bevölkerung mittlerweile dem Jammern über verpasste Chancen Platz gemacht. Die Stadt hätte das Areal selbst kaufen sollen und nicht einem Zürcher Schnellbauer überlassen dürfen, wird immer wieder moniert. Und als der Verkauf an die Familie Bachmann über die Bühne war, warf das Parlament dem Stadtrat vor, beim Gestaltungsplan zu wenig strenge Vorgaben gemacht zu haben: Es gebe keine Pflicht zu Architekturwettbewerben oder zum Minergie-Standard. Fazit: Statt zum Segen ist Olten SüdWest mittlerweile zum Fluch geworden.

Das Worst-Case-Szenario für die Stadt Olten

Mit der angekündigten Gestaltungsplanänderung versucht die Stadtregierung nun, das Heft wieder stärker in die Hand zu nehmen. Damit ist das Eingeständnis verbunden, dass es so nicht weitergehen darf. Ein Gestaltungsplan ist eines der stärksten Mittel, das man nach dem verpassten Kauf noch zur Verfügung hat, um überhaupt Einfluss geltend zu machen. Denn die bisher als Getto oder Plattenbau verschriene Überbauung ist gemäss dem gültigen Gestaltungsplan aus dem Jahr 2008 erstellt worden.

Das Worst-Case-Szenario für die Stadt wäre, dass der von ihr initiierte Prozess scheitern würde – weil es etwa dem Areal-Eigentümer zu lange dauert, bis weitergebaut werden kann. Dann gälte der bisherige, von der Stadt nicht mehr gewünschte Gestaltungsplan. Es wäre nicht ausgeschlossen, dass das zweite Baufeld architektonisch ähnlich eintönig aussehen würde wie das erste.

Doch das ist nur die eine Gefahr, die besteht. Die andere geht von den Planern selbst aus, welche nun einen ersten Entwurf skizzieren: Nämlich dann, wenn diese zu wenig Mut zeigten, Olten SüdWest von Grund auf neu zu denken – und zwar als Stadtteil und nicht nur als weiteres Wohnquartier. Dazu reicht es nicht aus, die Gebäudehöhen etwas zu variieren, statt Mieter auch Eigentümer zuzulassen und mehr Grünflächen einzuberechnen.

Referenzquartier für das Areal Olten SüdWest

Wer sich eines der Quartiere ansieht, welches laut dem Oltner Stadtplaner Lorenz Schmid als Referenzobjekt für Olten SüdWest dient, erkennt, wie viel Luft nach oben noch besteht: Im Glattpark in Opfikon ZH gibt es neben Miet- und Eigentumswohnungen einen Park mit eigenem See, einen breiten verkehrsfreien Boulevard, diverse Restaurants, Lebensmittelläden, Arztpraxen, Kindertagesstätten, aber auch eine Schule – ebenfalls etwas, wovon in Olten Südwest bis vor kurzem noch die Rede war.

Aus diesem Beispiel wird ersichtlich, wie lange der Weg in Olten SüdWest noch ist vom heutigen Wohnquartier – mit zumeist Singles und kinderlosen Paaren – zum lebendigen Stadtteil mit einem breiten Bevölkerungsmix. Es ist zu hoffen, dass die Stadt zusammen mit dem Areal-Besitzer genügend Mut und Ausdauer aufbringt, einen richtigen Neuanfang zu wagen. Sonst wird Olten SüdWest auch in 20 Jahren noch ein Fluch sein für die Stadt.

fabian.muster@azmedien.ch