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Der Schriftsteller las an der Oltner Buchmesse aus seinem Roman «Kastelau» und erzählte, wie er auf der Grundlage von wirklichen Ereignissen ein Werk geschrieben hat, das zwar in der Form der Dokumentation daher kommt, aber eben doch Fiktion ist.
Der Schriftsteller und Drehbuchautor Erich Kästner setzte sich am Ende des zweiten Weltkriegs zusammen mit einem Filmteam der Ufa Universum-Film AG aus Berlin ins Tirol ab. Diese wahre Begebenheit bildete die Keimzelle für das neueste Werk von Charles Lewinsky. Um diese erste Idee baute der Schriftsteller seinen aktuellen Roman «Kastelau». Und obwohl das Buch zudem in der äusseren Form einer Dokumentation daherkommt, ist praktisch alles erfunden. Auch Kastelau, der Ort, wo sich das ganze Geschehen abspielt, und der den Titel für den Roman liefert, existiert nicht. Charles Lewinsky verriet dies an einer Lesung im Rahmen der Buchmesse Olten. Der Abend wurde moderiert von Manfred Papst, dem Leiter des Ressorts Kultur bei der NZZ am Sonntag.
«Es ist ein Meisterwerk», urteilte Manfred Papst, «virtuos und humorvoll geschrieben, ein grosser literarischer Spass». Er halte «Kastelau» für den besten Schweizer Roman des Jahres 2014, lobte der NZZ-Rezensent. Er verstehe deshalb nicht, warum das Werk nicht für den Schweizer Buchpreis nominiert sei. Worauf der Erfolgsautor Lewinsky spontan anmerkte: «Meine Bücher haben seit je niemandem gefallen ausser den Leserinnen und Lesern».
Charles Lewinsky hat mit «Kastelau» erneut eine Episode aus der Zeitgeschichte aufgegriffen und umgegossen. Die Ufa erhält Ende 1944 den Auftrag, einen Propagandafilm zu drehen, der die Deutschen im Durchhaltewillen bestärken soll. Die Filmcrew flieht aus dem unter den alliierten Bombardierungen leidenden Berlin nach Kastelau bei Berchtesgaden in den bayrischen Alpen und richtet sich in einem stillgelegten Gasthof ein. Ihre beengende Situation bildet das Biotop, auf dem Intrigen, Eifersüchteleien und Machkämpfe gedeihen.
Als sich abzeichnet, dass der Krieg verloren ist, wird klar, dass der Film in der geplanten Form nicht mehr opportun ist. Bereits gedrehte Szenen werden nun umgeschnitten und neue nachgedreht.
Doch der Drehbuchautor war schon immer ein Wendehals, der in jungen Jahren Antikriegsromane verfasste, bevor er nach der Machtergreifung unter dem Pseudonym Frank Ehrenfeld für die Nazis arbeitete. Der Mitläufer und Karrierist wechselt im April 1945 erneut die Identität und begeht sogar ein Verbrechen, um seine Haut zu retten. Er ist eine zwielichtige Person oder gar ein Widerling, wie ihn Manfred Papst bezeichnete. Wir sollten nicht zu schnell verurteilen, relativierte Charles Lewinsky im Gespräch an der Buchmesse. Und erinnerte daran: alle waren Anpasser und Durchmogler. Auch die Schweiz war damals alles andere als heldenhaft.
In «Kastelau» ist fast alles erfunden. So wie die Hauptperson den Namen fälscht, ist auch die Geschichte nicht wahr. Allerdings schöpft Lewinsky aus realen Quellen. Dabei treibt er keine wissenschaftliche Forschung. «Ich formuliere vorgängig keine Fragestellung, die ich mit Archivmaterial zu beantworten suche», erläutert Charles Lewinsky sein Vorgehen. Vielmehr arbeite er nach dem Prinzip des Blauwals, der das Plankton verwertet, das ihm an den Barten hängen bleibt. Lewinsky macht sich auch keine Notizen. Erst beim Schreiben lässt er in seinen Text einfliessen, was ihm bei seinen Recherchen im Gedächtnis haften geblieben ist. Eingebettet in den anregenden Dialog mit Manfred Papst, las Lewinsky zwei Passagen aus seinem «Kastelau» – Kostproben, die Lust aufs Lesen des ganzen Romans machen..