Der Oltner Pascal Troller sorgt seit Jahren für den Erhalt von beispielhafter nationaler Industriekultur. Auch im bernischen Schattenhalb.
Hand aufs Herz: Wer kennt Schattenhalb? Die wenigsten, klar. Wer kennt den Reichenbachfall beziehungsweise die gleichnamige Bahn? Aha, schon besser! Irgendwie wissen Insider: Die Begriffe haben was mit Sherlock Holmes zu tun, dem fiktiven Meisterdetektiv, der jährlich britische und andere Touristen ins Haslital lockt, genauer nach Meiringen und eben – Schattenhalb, wo die Reichenbachfälle liegen und die gleichnamige Bahn zur Aussichtsterrasse führt. Sie ermöglicht einen perfekten Blick auf den tosenden Wasserfall.
Dort oben sind Sherlock Holmes und sein geistreicher Widersacher James Moriarty nämlich während eines Kampfes in den Tod gestürzt. Deren Vater, der Autor und Arzt Arthur Conan Doyle, wollte das so.
Genau im Interesse dieser Umgebung ist in den nächsten Wochen und Monaten ein Oltner tätig; einer, den man kennt. Einer, der Blechbüchsen und PET-Flaschen auf Stadtgebiet einsammelt und sich masslos darüber ärgert, dass die Einführung eines Pfandsystems für Wertstoffe nicht endlich auf der politischen Ebene thematisiert wird. Aber der Mann macht noch mehr. Pascal Troller setzt sich auch dafür ein, dass geschichtsträchtige Kulturgüter erhalten bleiben und restauriert werden. Sein Wirkungskreis ist breit.
Der 63-Jährige treibt jeweils die notwendigen finanziellen Mittel auf. «Ich hatte eigentlich schon immer ein Faible für Zeugen der Industriegeschichte», meint er. Erklärbar sei das letztlich aber nicht. «Es ist einfach so», reicht er nach. Seine Leistungsausweise reichen mehr als 15 Jahre zurück: Im Jahr 2008 schrieb der damalige Schwyzer Landammann Georg Hess an Troller: «Die Erhaltung dieses einmaligen Kulturgutes ist nur Ihrem uneingeschränkten Engagement für die Erhaltung von Industriekulturgut zu verdanken.»
Die Rede war dabei vom Projekt «Restaurierung der Dampflok E 3/3 Nr. 4», die «Schwyz», der ältesten noch fahrenden Dampflok (1887) der Schweiz. Deren Restaurierung bei der Oensingen-Balsthal-Bahn OeBB nahm vier Jahre in Anspruch. Nur zwei Jahre später schrieb das Bundesamt für Kultur: «Wir schätzen daher Ihr Engagement für die Bewahrung und Restauration einzigartiger Zeugen aus der Industrialisierung sehr. Aus diesen Gründen konnte das Bundesamt für Kultur einen einmaligen Unterstützungsbeitrag an eines Ihrer Projekte leisten, indem es 98'000 Franken an die Revision der Nordostbahn-Dampflokomotive NOB 456 beisteuerte.»
2016 übernimmt die Stiftung Kraft & Wasser das Wasserkraftwerk Schattenhalb 2 von der BKW Energie AG. Damit rettet sie das an den berühmten Reichenbachfällen gelegene Betriebsgebäude samt Originalturbinen. Ihr erklärtes Ziel ist es, das Kraftwerk für Technikinteressierte, Schulklassen und den Tourismus zu öffnen und zu betreiben. Gut 2,2 Mio. Franken wird das Projekt vereinnahmen und im Jahr 2021 umgesetzt sein. (hub)
Ja eben, die Beschaffung der Gelder: ein etwas verschwiegenes Geschäft. Troller redet eher zurückhaltend drüber. Wen er jeweils angehe? «Kommt drauf an», sagt er. «Bund, Kantone, Stiftungen. Und Privatpersonen, die Sinn und die notwendigen Mittel haben für derlei Vorhaben.» Beiträge von Bund und Kanton seien jeweils echte Beschleuniger. «Es sieht halt einfach besser aus, wenn die öffentliche Hand dabei ist.»
10 bis 20 Prozent seiner Arbeit seien entfernt Administration, der Rest Networking, Menschen treffen, reden, überzeugen. Überhaupt: Ein gutes Netzwerk sei von grösster Bedeutung. Und: Wer für gute und seriöse Arbeit bürge, sei in aller Regel auch erfolgreich bei der Mittelbeschaffung, weiss Troller. Der Mann ist aufgrund seiner Referenzen also so etwas wie ein Garant für gesicherte Finanzierungen solcher Vorhaben. Fundraiding nennt sich dies. Ob er jemals das Geld nicht habe beschaffen können? Der gelernte Buchdrucker schüttelt den Kopf und sagt bloss: «Nein.»
Eine runde Million Franken auftreiben: Das ist die aktuellste Herausforderung, die der Oltner mit prägnanter Zürcher Mundart angenommen hat. Ebenjene im Schatten von Sherlock Holmes. Die Finanzierung des Projekts Schattenhalb 2, einen satten Steinwurf von den Reichenbachfällen entfern. «Schattenhalb 2 ist eine der wenigen noch vollständig im Originalzustand erhaltenen Kraftwerksanlagen aus der Pionierzeit der Berner Wasserkraftnutzung», sagt Simon Weiss, Stiftungsratspräsident von «Kraft&Wasser». Sie hat sich dem Erhalt und vor allem der Wiederinbetriebnahme des Kraftwerks verschrieben. Für Letzteres hat sich Troller vehement eingesetzt. «Einfach eine stillgelegte Anlage präsentieren, das kannst du vergessen. Da geht doch niemand hin», sagt er. Und Touristen schon gar nicht, auf die ein vielleicht fünfminütiger Fussmarsch auf befestigten Wegen wartet, bis sie von der Bergstation der Reichenbachfallbahn talabwärts schreitend, das Kraftwerk aus dem Jahr 1926 erreichen.
Aber so, wenn Turbinen und Generatoren aus den mittleren Zwanzigerjahren surren und sirren und der Geruch von Schmiermitteln in der Luft liegt, da ist sich Troller sicher, wird Schattenhalb 2 ein erfolgreiches touristisches Projekt. Und geht Schattenhalb 2 wieder ans Netz, so ist ein Teil der Aufwendungen für den Anlage-Unterhalt bereits wieder eingespielt. Mehr als das. Die einstige Maschinistenwohnung, die unmittelbar über dem Maschinenraum liegt, soll zu einer Herberge für Touristen umgebaut werden. Mit einem heissen Blick auf Meiringen und das Haslital. Nur die Morgengipfeli, die hat man im Tal drunten zu holen. Aber wer hat da schon was dagegen bei einer solchen Aussicht.