Maria Felchlins Grabmal soll einen Standplatz jenseits des Friedhofs erhalten; zur Erinnerung an eine Pionierin ersten Ranges
Was im September letzten Jahres scheinbar so unspektakulär klang, findet jetzt einen doch eher aussergewöhnlichen Ausgang. Damals hatte der Stadtrat in einem völlig üblichen Verfahren die Räumung sämtlicher Gräber des Urnen-Grabfelds XVI im südöstlichen Teil des Friedhofs Meisenhard beschlossen. Die ordentliche Grabesruhe über 30 Jahre war abgelaufen. «Damit die Angehörigen rechtzeitig auf die Räumung aufmerksam gemacht werden können, ist die Aufhebung auf den 31. Januar 2019 anzuordnen», steht im stadträtlichen Beschluss nachzulesen.
Was damals niemand wusste: Zu den von der Räumung betroffenen Gräbern gehörte auch jenes von Maria Felchlin. Maria Felchlin: Der Name hat, von Geschichtsinteressierten mal abgesehen, vor allem für die ältere Generation einen besonderen Klang. Geboren am 18. Juni 1899 in Olten, war sie ab 1928 die erste praktizierende Ärztin des Kantons Solothurn sowie eine Vorkämpferin für das Frauenstimmrecht. «Herr Doktor» wurde sie eine Zeit lang noch gerufen, weil Frauen in diesem Beruf absolute Ausnahme waren. Die äusserst umtriebige Freisinnige war unter anderem auch Präsidentin in der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft Frau und Demokratie, betätigte sich als Autorin für Zeitungen und die Oltner Neujahrsblätter. Und: Sie unterhielt gute Beziehungen zu Kunstschaffenden. Zu ihn gehörte etwa der Maler und Bildhauer Josef Kuhn oder die Berufsfotografin Margrit Schmidhauser. Sie hatte die Ärztin in deren Auftrag mehrfach fotografiert. Das Bild rechts stammt aus der Hand Schmidhausers, die in den 1940er-Jahren auch Reportagen für den «Sonntag», dem Blatt aus dem einstigen Walter Verlag in Olten, machte. Maria Felchlin starb am 12. November 1987 in Olten. Seit 1996 ist auch der Platz vor der Friedenskirche auf der rechten Stadtseite nach ihr benannt.
Der Maler und Bildhauer Josef Kuhn (1898–1979) galt als eigenwilliger Künstler. Geboren in Schönenwerd, wuchs er zusammen mit sieben Geschwistern auf. Im väterlichen Geschäft erhielt er die Grundausbildung als Bildhauer. Schon früh setzte er sich auch mit der Malerei auseinander, die er sich in einer besessenen Art und Weise autodidaktisch aneignete. Die Musik Chopins und Debussy, vor allem aber jene von Beethoven beeinflussten die Malerei von Josef Kuhn wesentlich.
1929, nach seiner Heirat mit Margrit Schenker, übersiedelte Kuhn nach Olten. Zusammen mit seiner Ehefrau führte Kuhn einen unermüdlichen Kampf um Anerkennung und Bestätigung seiner Arbeit.
Während seiner Aktivdienstzeit im 2. Weltkrieg schuf Josef Kuhn oberhalb von Gümligen (BE) ein Denkmal für General Guisan. Es zeigt einen stehenden Soldaten, der ins Land hinaus späht.
Quelle: Oltner Neujahrsblätter 1979
Zurück zur Gegenwart: Irgendwann setzte sich im Bewusstsein einiger Oltnerinnen und Oltner fest: Das Grab der Maria Felchlin, die heuer 120-jährig würde, soll also eingeebnet werden. Der Parlamentarier Luc Nünlist (SP) erfuhr von seinem Grossvater davon, wie er gegenüber dieser Zeitung erklärte. Er machte sich bei Baudirektor Thomas Marbet dafür stark, dass der Stein, sofern er nicht von den Angehörigen Felchlins beansprucht würde, von der Stadt sichergestellt werde. «Mehr wollte ich vorerst eigentlich gar nicht», so Nünlist auf Anfrage. Ihm sei einfach wichtig gewesen, dass der Stein nicht wegkomme. Baudirektor Thomas Marbet jedenfalls sicherte ihm zu, dass in diesem Sinn gehandelt werde. «Weiter gingen meine Zusagen nicht», sagt Marbet vor einigen Tagen gegenüber dieser Zeitung. Er habe bis auf die Sicherstellung des Steines nichts versprochen; weder einen möglichen Standort für den Stein noch spezifische stadträtlichen Bemühungen darum. Um den Stadtrat allenfalls mit einer weiterführenden Aufgabe zu beauftragen, wäre wohl ein parlamentarischer Vorstoss das geeignete Instrument.
Gleichzeitig gabs noch andere Kontakte. Peter André Bloch, Mister Oltner Neujahrsblätter und quasi heimlicher Kulturbeauftragter, wurde aus Felchlin-Kreisen angefragt, ob nicht eine Möglichkeit bestehe, für den Grabstein irgendwo in der Stadt eine neue Bleibe zu finden. Peter André Bloch klärte dies im Auftrag der Familie ab. Und kam zum Schluss: es gibt diese Möglichkeit. «Ich habe zu allererst den Maria-Felchlin-Platz im Auge gehabt, so Bloch auf Anfrage. Was von der Familie prompt positiv quittiert wurde. «Der Grabstein soll nun auf dem Maria-Felchlin-Platz (Kreuzung Engelberg- und Reiserstrasse) einen neuen Standort finden. Wir haben diesem Vorhaben zugestimmt», liess Susanna Caravatti-Felchlin, Geschäftsleitungsmitglied der in Olten domizilierten Felchlin Immobilien GmbH, ausrichten.
Zwischenzeitlich steht fest: Der Stein wurde von der Stadt Olten gesichert und ab Ende Januar im Werkhof zwischengelagert, bis Bildhauer Norbert Eggenschwiler diesen abholt und auffrischt. Kostenpunkt: Rund 4500 Franken, wie dem in Auftrag gegebenen Vorschlag zu entnehmen ist. Für Bloch steht fest: Wird die Stadt die Kosten der Aktion – aus welchen Gründen auch immer – nicht übernehmen können, kommt ein Fonds der Academia dafür auf. «Und falls notwendig ich als Privatperson», resümiert der Mann, der seinerzeit Nachfolger von Maria Felchlin bei den Oltner Neujahrsblättern wurde. Allenfalls würde sich auch die Familie an den Kosten beteiligen, wie Ernst Felchlin aus Solothurn, der Neffe Maria Felchlins, am Telefon sagte.
«So wie sich die Sache jetzt präsentiert, werden wir, Ernst Felchlin-Kamber aus Solothurn und ich, an die Stadt den Antrag formulieren, wonach für das Grabmal ein Platz gesucht wird», weiss Bloch. Der Standort ist derzeit allerdings noch fraglich. Allenfalls kommt für den Stein auch eine Bleibe im Museum infrage. Bis im Sommer jedenfalls soll die Sache über die Bühne gegangen und der Stein an die Stadt übergeben sein. «Ein Gedenkstein für eine Humanistin und Frauenrechtlerin finde ich grossartig», sagt Peter André Bloch.
Für die Familie Felchlin steht neben dem Grabmal auch die prägende Skulptur über dem Stein im Vordergrund ihres Wunsches. «Sie stammt aus der Hand des Oltner Malers und Bildhauers Josef Kuhn», wie der 91-jährige Ernst Felchlin erklärt. Eine bedeutende Figur der Kunstszene damals, wie auch Peter André Bloch weiss. «Der Stein wurde bereits für die Eltern von Maria Felchlin als Grabstein benutzt», erzählt der Neffe. Als er für Tochter Maria umgenutzt wurde, mussten die Namen ihrer Eltern abgedeckt werden. «Deshalb sind auch die Bronzeplatten mit den griechischen Buchstaben Alpha und Omega angebracht», so Ernst Felchlin.