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Nachbau einer aus dem 18. Jahrhundert stammenden Kastenorgel sorgt in Olten für ein authentisches Hörerlebnis.
Klar: Die Oltner Stadtkirche besitzt in der von Johann Nepomuk Kuhn 1880 erbauten Hauptorgel die in ihrer Art einzige und grösste noch spielbare und original erhaltene dreimanualige Kegelladen-Orgel der Schweiz mit mechanischer Traktur. Und jetzt erhält sie erst noch eine Gespielin: «Ich habe vor etwas mehr als einem Jahr dieses Projekt noch unter Kai Fehringer ins Rollen gebracht», sagt Martin Eduard Fischer, ehemaliger Präsident des Vereins Bach Konzerte Olten. Dann schien es aber, als würde das Vorhaben scheitern.
«Jetzt wird es doch Realität. Für mich ist das eine richtige Sensation für Olten», sagt Fischer. Die Kuhn-Orgel gilt zwar als ein hervorragendes Instrument. Aber leider eignet es sich im Grunde wegen seiner rein romantischen Disposition nicht für die Wiedergabe älterer Musik, insbesondere der Musikstücke Johann Sebastian Bachs.
Nun aber hat Francesco Saverio Pedrini, amtierender Präsident des Vereins Bach Konzerte Olten, in der reformierten Kirche Oberstrass in Zürich eine schmucke und sehr wohlklingende Orgel erwerben können. Dort nämlich war man der Ansicht, es brauche keine altmodische Nebenorgel.
Dabei handelt es sich um einen hervorragenden, anno 2002 durch den italienischen ehemaligen Ordensmann OFM und Orgelbauer Vittorio Ramina geschaffenen Nachbau einer aus dem 18. Jahrhundert stammenden Kastenorgel aus bisher unbekannter Hand. Diese steht in der Apsis des Santuario della Madonna della Fontana in Camairago, Provinz Lodi.
Da Pedrini als Organist zu St.Martin gewillt ist, seine Zelte in Olten aufzuschlagen, trug er sich schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken, seinen «tesoro», sein Schatzkästlein, wie er sich ausdrückt, nach Olten versetzen zu lassen.
Da das Kapuzinerkloster bis auf den heutigen Tag eigentlich über keine konzertfähige Orgel verfügt und die Kirche von ihrer geringen Grösse her durchaus mit einer derartigen Kleinorgel bespielt werden könnte, lag es erst nahe, diese Orgel in der Klosterkirche zu platzieren. Als es sich dann bei genauerer Prüfung herausstellte, dass es in der Klosterkirche im Moment wegen einer fehlenden Empore keinen geeigneten Platz für ein solches Werk gibt, und die Ramina-Orgel im Grunde ein Konzert-Instrument für alte Musik ist, einigte man sich schliesslich darauf, zu prüfen, ob das Instrument allenfalls in die Stadtkirche transferiert werden könnte.
Diese erschien von ihrer hervorragenden Akustik her auch Francesco Pedrini als idealer Standort für seine «Barock-Orgel». Denn häufig stehen solche Orgeln auf Nebenemporen, wodurch sie vor allem für die Wiedergabe alter Musik in Kleinformationen hervorragend geeignet sind.
Offen blieb die Frage, wie sich die Denkmalpflege zu einem solchen Vorhaben stellen würde. Durch die Aufarbeitung der ältesten Quellen zur Oltner Orgelgeschichte konnte schliesslich der Nachweis erbracht werden, dass das alte sechsregistrige «Örgeli», das 1813 aus der alten Stadtkirche im Herzen der Altstadt in die neue Stadtkirche an der Kirchgasse gezügelt worden ist, ein Instrument war, das man punkto Alter und Konstruktionsweise durchaus als «Zwillingsschwester» dieser Ramina-Orgel bezeichnen könnte. Denn die erwähnte alte Oltner Kirchenorgel war laut den Angaben im Jahrzeitbuch von 1490 durch den Orgelbauer [Johann] «Franz von Liesperg» erbaut und anno 1753 – drei Jahre nach Bachs Tod – für 222 Gulden angekauft worden. Deren technischen Details treffen auch auf die Ramina-Orgel zu.
Das dürfte den kantonalen Denkmalpfleger überzeugt haben, nach anfänglichem Widerstand doch seine Zustimmung zur Platzierung der «stilfremden» Ramina-Orgel auf der linken Seitenempore der Stadtkirche zu geben, obwohl sie von ihrem Erscheinungsbild her wesentlich älter wirkt als die übrigen Ausstattungsstücke der heute auf so hervorragende Weise restaurierten Stadtkirche.
Es ist ein eigentlicher Glücksfall, dass Francesco Pedrini bereit ist, das schmucke und auch kostbare Instrument in die Stadtkirche überführen zu lassen. Ab dem Dreikönigstag 2021 wird die Stadtkirche zu den weltweit sehr seltenen Kirchen gehören, in denen Orgelmusik ab der Renaissance bis in unsere Zeit sozusagen originalklanggetreu gespielt werden kann.