Analyse von Beat Nützi zur Diskussion im Kantonsrat über Wirtschaftswachstum und Kulturlandverlust.
Im Solothurner Kantonsrat kam am vergangenen Mittwoch wieder einmal die Verbetonierung von wertvollem Kulturland zur Sprache. Dabei war festzustellen, dass allmählich sogar bürgerliche Kreise Fragezeichen hinter das Wachstum setzen – insbesondere im Gäu, wo in der Vergangenheit beste Böden dem «Logistik-Valley» geopfert wurden. Im Parlament erschallte daher der Ruf nach einer flächenschonenderen Bauentwicklung. Diese Forderung ist nicht neu.
Blättern wir zurück: Bereits vor gut 30 Jahren wurde im kantonalen Leitbild 86 hinsichtlich Raumplanung betont, das Siedlungswachstum sei durch sparsame Nutzung des Bodens in verantwortbaren Grenzen zu halten. Zu diesem Zweck müssten zu grosse Bauzonen verkleinert werden. Von den Gemeinden wurde eine aktive Baulandpolitik erwartet.
Und bei der Raumplanung sollten grundsätzlich die ökologischen Gesichtspunkte vermehrt Beachtung finden. Anderseits sollten die Entwicklungsmöglichkeiten einzelner Siedlungsschwerpunkte durch eine stärkere Konzentration der wachstumswirksamen öffentlichen Einrichtungen (öffentlicher Verkehr, Schulen) besser genutzt werden.
Das grösste Entwicklungspotenzial sah das Leitbild 86 wegen ihrer ausgeprägten Standort- und Verkehrsgunst in der Region Olten-Gösgen-Gäu. Von der Entwicklung des «Wachstumspols Olten» erwartete man auch eine positive Ausstrahlung auf die andern Kantonsgebiete, die mitprofitieren sollten. Mit der Schwerpunktbildung sollte die Wirtschaftskraft gestärkt werden mit dem Ziel, dem Sog ausserkantonaler Zentren wie Zürich, Basel und Bern entgegenwirken und vermehrt qualifizierte Dienstleistungsunternehmen anziehen zu können.
In einer Stärkung der Agglomerationszentren (Olten, Solothurn, Grenchen) als Wohn- und Arbeitsort sah das Leitbild 86 auch «einen erheblichen Beitrag zur Eindämmung der Kulturlandverluste». Denn diese nähmen «infolge von Überbauungen aller Art» immer bedrohlichere Ausmasse an.
Bewahrheitet hat sich der hohe Kulturlandverlust vor allem im Gäu, das deswegen in unserem Kanton immer wieder im Zentrum politischer Diskussionen über Landverbrauch steht. Denn in der einstigen Kornkammer des Kantons Solothurn machten sich verkehrsträchtige Logistikbetriebe breit, die nicht bloss Arbeit in die Region brachten, sondern auch Immissionen, die heute einzelnen Gemeinden schwer zu schaffen machen.
Und sie frassen der Landwirtschaft viel wertvolle Produktionsfläche weg. Jetzt ist genug! Das sagen nicht nur Landwirtschaftsvertreter. Auch in der betroffenen Bevölkerung brodelt es. Vor allem der (Last-)Verkehr hat sich zu einem Problem entwickelt. Die Luft- und Lärmbelastungen werden von der Bevölkerung allmählich als Bedrohung ihrer Lebensqualität wahrgenommen.
Nochmals zurück zum Leitbild 86. Einige Wünsche daraus haben sich erfüllt. Zum Beispiel die Realisierung einer professionellen Wirtschaftsförderung und einer Höheren Technischen Lehranstalt (heute Fachhochschule) in Olten. Die Dreitannenstadt hat sich wunschgemäss auch zu einem Zentrum mit Finanz- und Energiedienstleistungen entwickelt. Allerdings ist mit der Alpiq der stärkste Energiepfeiler ins Schlingern geraten und bei einigen Banken sind durch aussenstehende Mutterhäuser die Entscheidkompetenzen vor Ort eingeschränkt worden.
Nach wie vor gibt es jedoch (nicht nur im unteren Kantonsteil) eine Vielzahl von kleinen und mittleren Betrieben (KMU), die sich erfolgreich im Wettbewerb halten können und das Rückgrat der Wirtschaft bilden. Und die Region Solothurn-Grenchen konnte den Strukturwandel in der Uhrenindustrie und in anderen Branchen erfolgreich meistern und sich als Industriestandort behaupten. Neue Branchen haben Fuss gefasst, zum Beispiel die zukunftsträchtige Medizinaltechnik. Oder zuletzt mit dem Ableger des US-Riesen Biogen auf dem Areal der früheren Cellulosefabrik Attisholz in Luterbach die Pharmaindustrie.
Vieles hat sich somit im Sinne des Leitbildes 86 entwickelt. Die Forderung, dem Kulturlandverlust sei Einhalt zu gebieten, ist aber noch nicht erfüllt. Vor allem im Gäu ist hinsichtlich Landverbrauch ein Umdenken nötig. Es geht dabei nicht nur um den Erhalt von Produktionsflächen für die Landwirtschaft, sondern vielmehr um den Schutz von Natur und Umwelt zur Sicherung der Lebensqualität der hier lebenden Menschen.
Handeln ist im eigenen Interesse angezeigt. Denn es ist zu verhindern, dass durch Ansiedlung weiterer verkehrsträchtiger Betriebe die Region Gäu-Olten endgültig zu einem Verkehrsmoloch verkommt – sonst kastriert sie sich in wirtschaftlicher und entwicklungspolitischer Hinsicht selber.