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Die Kompanie «ZOO» von Thomas Hauert bildet bei der Produktion «Inaudible» die Musik ab.
Was am Freitagabend in der Schützi zu erleben war, hat das eidgenössische Bundesamt für Kultur im Oktober mit dem Schweizer Tanzpreis ausgezeichnet: Die Produktion «Inaudible» der belgischen Kompanie «ZOO» Thomas Hauert, konzipiert vom Solothurner Tänzer und Choreografen Thomas Hauert. An den Oltner Tanztagen ist Hauert seit 1997 mit schon mehrfach aufgetreten. Es war dies nun die Deutschschweizer Premiere eines Stücks, das weltweit Erfolge feiert.
Erst einmal stösst «Inaudible» das Publikum allerdings vor den Kopf. Allein der Titel wirft Fragen auf: «Lautlos», wie es zu Deutsch heisst, ist das Tanzstück keineswegs, das sich zu George Gershwins «Piano Concerto in F» und Mauro Lanzas «Ludus de Morte Regis» abspielt. Zudem beschleicht einen zu Beginn an das Gefühl, als suchten die sechs Tänzerinnen und Tänzer noch nach einer passenden Form. Manches wirkt unfertig, spontan.
Es dauert eine Weile, bis man erkennt, dass tatsächlich ein Grossteil des Tanzes improvisiert ist. Aus einem Knoten menschlicher Körper lösen sich langsam Individuen, die im Laufe der Performance ihren eigenen Stil und Charakter finden. Sie schwärmen aus, bewegen sich allein, stimmen sich dann wieder auf den Schwarm ab und finden schliesslich wieder zu einer Einheit zusammen. Es ist, als beobachte man auf der Bühne einen lebenden Organismus.
Trotz Improvisation hat das Stück Struktur. Diese wird von der spannungsreichen Musik vorgegeben, die immer wieder mit neuen Wendungen überrascht. Gershwins Kompositionen verschmelzen Broadway, Jazz, Klezmer und Klassik miteinander und wurden oft als Soundtrack in Hollywood-Filmen genutzt. Die Tänzerinnen und Tänzer kennen jeden Takt des «Piano Concerto in F» so genau, dass ihre Bewegungen in der Musik aufgehen. Ihren Rhythmus und ihren Klang scheinen sie in sich aufnehmen und diesen so genau abbilden, dass sie eins werden damit. Würde man den Ton abdrehen, man hätte die Musik immer noch vor Augen. Tanz und Musik heben einander auf. Das geschieht lautlos, tatsächlich.
Tanz und Musik sind sich hier ebenbürtig. Dies sei bezeichnend für den zeitgenössischen Tanz, wie Ursula Berger, Organisatorin der Oltner Tanztage, sagt. «Der Tanz möchte der Musik nicht mehr Untertan sein, sondern von ihr unabhängig.» Charakteristisch für die Produktionen der Kompanie Zoo sei auch die Suche nach der Bewegung. Thomas Hauert nennt sich selbst einen Bewegungsforscher. Sein besonderes Interesse gilt der Improvisation, welche die Spannung zwischen Freiheit und Einschränkung, Individuum und Gruppe, Ordnung und Chaos, Form und Formlosigkeit erforscht.
Thomas Hauerts Choreografiearbeit ist bekannt für ihre Originalität. Wie die Rezensentin Rosita Boisseau in Le Monde schreibt, leiste «sein überbordender Erfindungsgeist mehr, als bloss die Fantasie anzuregen: Er legt ein neues Bewegungsvokabular frei, wirft die Satzstruktur um, verfeinert ungeschriebene Grammatikregeln und schafft damit eine ausserordentlich bildhafte Sprache.»