Olten
Die gemessene, die gefühlte und die erfüllte Zeit

Was heisst «Zeit»? Rund dreissig Leute trafen sich im Oltner Cultibo, um gemeinsam über die unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes «Zeit» zu debattieren.

Urs Amacher
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Moderierte die angeregte Diskussionsrunde: Imre Hofmann (Vordergrund).

Moderierte die angeregte Diskussionsrunde: Imre Hofmann (Vordergrund).

Urs Amacher

Der Rahmen dazu bildete das «Café Philo», das jeweils am letzten Sonntag eines Monats im Quartiertreff «Cultibo» von Verena Zimmermann, Markus Meyer und Karl Kirschbaum organisiert wird. Diesmal wurde die angeregte Diskussionsrunde moderiert vom freischaffenden Philosophen Imre Hofmann.

Wie erfassen

Imre Hofmann hielt wie gewohnt keinen einführenden Vortrag zum Thema, sondern stiess die Diskussion an mit der Frage: «Wie kann man den Begriff «Zeit» begreifen und fassen?» Zeit ist etwas, das wir aus der Erfahrung kennen. Die Zeit als solche ist vorhanden – immer und ewig, grenzenlos. Wir können sehen, dass Dinge nacheinander passieren, aber etwas Bestimmtes kann auch an verschiedenen Orten gleichzeitig stattfinden. Die Zeit begleitet uns, und wir sind uns bewusst, dass sie verrinnt.

In der offenen Diskussion, an der sich alle lebhaft beteiligten, wurde festgestellt, dass die Zeit durch die Natur unterteilt wird. Die Jahreszeiten und die Nacht zeigen Phasen der Ruhe an, das Hungergefühl sagt uns, es ist Essenszeit. Wir stellen aber schnell die Zeit in einen Bezug zu einer räumlichen Grösse. Für den Weg von A nach B braucht man zwei Stunden, um einen Graben auszuheben, schaufelt man fünf Stunden. Das Zusammenleben in einer Gemeinschaft erfordert eine gewisse Organisation der Zeit, die Zeit wird deshalb definiert durch den Weg, den der Uhrzeiger zurücklegt.

Gefühlte Zeit

Der objektiv mit der Uhr messbaren Zeit steht aber unser subjektives Empfinden der Zeitdauer gegenüber. Da lässt man uns eine Ewigkeit lang ausharren, bis man endlich an die Reihe kommt. Oder der Ungeduldige muss gefühlte fünf Minuten vor dem Rotlicht warten. Andererseits vergeht die Zeit wie im Fluge bis hin zu den Momenten, wo wir so im Spiel vertieft sind, dass wir im Hier und Jetzt die Zeit völlig vergessen.

Die Zeit ist stark verbunden mit unserer Autonomie. Sicher ist, dass unsere verfügbare Zeit begrenzt ist durch den Tod. Können wir dabei über unsere Zeit frei bestimmen? Können wir uns die Zeit nehmen, beispielsweise für eine Arbeit oder für soziale Kontakte? Lassen wir uns hetzen, sind im Stress, sogar in der Freizeit? Oder müssen wir andererseits die Zeit totschlagen?

Erfüllte Zeit

Die griechischen Philosophen unterschieden Menge und Qualität der Zeit. Einem Chronos, dem Gott der quantifizierbaren, (mit der Chronometeruhr) messbaren Zeit, stellten sie den Kairos, den Gott des günstigen Augenblicks zur Seite. Kairos verhalf einem zum richtigen Entscheid zur richtigen Zeit, zur günstigen Gelegenheit, die man beim Schopf packen musste. Dauerte dieser ideale Moment an, war Kairos sogar der Gott der als erfüllt empfundenen Zeit.

Obwohl die Diskussion nach den abgemachten anderthalb Stunden längst nicht erschöpft war, schloss Diskussionsleiter Imre Hofmann die Runde. Nun sich nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie es Brauch ist, die Zeit für eine warme Suppe im gemeinsamen Rahmen, und setzten je nach Temperament die Gespräche fort.

Die Gelegenheit im «Café Philo» über ein Thema gemeinsam nachzudenken und zu reden besteht das nächste Mal wieder am Sonntag, 26. Januar 2014, 11 Uhr wieder im Quartiertreff Cultibo. Dannzumal wird es sich um die Frage drehen: Warum berührt mich ein Sonnenuntergang?