Olten
Die Dachschadengesellschaft präsentiert Becketts absurdes «Endspiel»

Die Theatergruppe Dachschadengesellschaft bringt «Endspiel» des irischen Schriftstellers Samuel Beckett auf die Bühne und zeigt dabei Mut zu einer eigenwilligen Fassung. Das Team setzt sich aus alten und neuen Gesichtern zusammen.

Drucken
Jakob Müller als Hamm (links) und Michi Bosshard als Clov bei den Proben zvg

Jakob Müller als Hamm (links) und Michi Bosshard als Clov bei den Proben zvg

zvg

Die Dachschadengesellschaft taucht ein ins absurde Theater - mit einer eigenwilligen Inszenierung von Samuel Becketts «Endspiel». Die Premiere findet am 25. Oktober statt, gespielt wird im Theaterstudio.

Eine Bühne, zwei Fenster - eins auf die Erde, das andere auf den Ozean gerichtet; ein blinder, gelähmter Mann in einem Sessel auf Rollen, zwei beinlose Alte im Abfall und ein gehbehinderter Diener, der ruhelos zwischen all dem hin- und hertigert. Der Blinde heisst Hamm und präsentiert sich als Herrscher der Bühne. Sein Sohn Clov spielt die Rolle des Dieners, der nur durch die Barmherzigkeit Hamms einen Platz zum Leben hat.

Nell und Nagg, die Eltern Hamms, vegetieren ebenfalls von der Gnade Hamms abhängig in ihren Kübeln vor sich her. Über der ganzen Szenerie liegt eine unbestimmte Endzeitstimmung, aus ungewissen Gründen scheint dies das Ende der Welt zu sein. Die Anwesenden scheinen die vier einzigen Überlebenden eines nicht näher bestimmten apokalyptischen Geschehnisses zu sein.

Hamm – Dreh- und Angelpunkt

Vor den Augen des Publikums entspinnt sich ein kompliziertes Geflecht von Abhängigkeiten und widersprüchlichen Gefühlen. Dreh- und Angelpunkt der Beziehungen ist Hamm, der sowohl seinen Sohn als auch seine Eltern herumkommandiert und mal diesem anordnet, die Erde und den Ozean zu betrachten, mal jenen dazu besticht, ihm bei seiner nicht enden wollenden Fortsetzungsgeschichte zuzuhören.

Nagg beugt sich nur aus reiner Notwendigkeit – oder aber, um etwas Schönes für seine Nell zu erhandeln, was ihm dann aber doch verwehrt wird. Clov hingegen beugt sich aus einer Mischung von emotionaler Abhängigkeit, scheinbarer Hilflosigkeit und Mitgefühl. Hamm jedoch ist seinerseits komplett von Clov abhängig; er sieht die Welt durch seine Augen und wäre ohne seine Betreuung zum Tode verurteilt.

Diese Strukturen und die in kurzen Episoden angedeutete gemeinsame Vergangenheit der Figuren resultiert in einem Cocktail verschiedenster Gefühle; man scheint sich zu verachten, und doch gibt es immer wieder Momente der Vertrautheit, in denen zarte Gefühle zum Vorschein kommen.

Was aber nur das Publikum mit Clov teilt ist das Wissen darum, dass die Welt draussen in Wirklichkeit weiter geht und offensichtlich seinen evolutionären Lauf genommen hat. Clov hält den Schlüssel zur Zukunft in seiner Hand und es ist lediglich eine Frage der Zeit, ob und wann er ihn benutzen wird. Heiter an einer Blume schnuppernd erklärt er Hamm auf seine Frage, was es draussen zu sehen gäbe: «Nichts. Nichts... Und wieder nichts.»

Klein aber fein

Ein kleines, aber feines Team aus Darstellern und Helfern hat sich um Regisseurin Kerstin Schult geschart, um sich des absurden Stückes anzunehmen. Mit dabei ist ein schöner Mix aus alten und neuen Gesichtern: Da wären Jakob Müller als Hamm, der schon in vielen Hauptrollen in der Dachschadengesellschaft brilliert hat; Michi Bosshard, der als neues Mitglied im Verein und Bühnenneuling eine ungeheure Leistung in der Rolle des Clov erzielt; Tamara Rüfenacht, die das Publikum bisher in kleinen Nebenrollen zu begeistern wusste spielt Nagg (einen Mann!) und Annetta Wyss, ebenfalls langjähriges Mitglied im Verein, glänzt als Nell für einmal in einer etwas kleineren Rolle.

Gemeinsam haben sich Regie, Darsteller und Regieassistentin Jacky Neuenschander – ebenfalls neues Mitglied im Verein – durch den Text geackert, wobei sich oft deutlich herausgestellt hat, dass das Stück sehr vieldeutig ist; mehr als einmal stiessen komplett verschiedene Interpretationen aufeinander und man war sich einig, dass es viele sehr verwirrende Stellen gibt.

Die Gruppe entschied, gewisse Mehrdeutigkeiten auszumerzen und sich auf eine Interpretation zu einigen. Wo die Vorlage eines dramaturgischen Fadens entbehrt oder viele verschiedene Interpretationen zulässt, wurde eine konkrete Variante gefunden und umgesetzt. Todernste Stellen werden ins Lächerliche gezogen, schwarzer Humor ersetzt an gewissen Stellen tiefste Traurigkeit. Herausgekommen ist dabei eine leicht gekürzte, etwas besser verständliche und sehr eigenwillige Umsetzung des Stücks, die nichtsdestotrotz keineswegs an Tiefgründigkeit eingebüsst hat. Abgerundet wird das Stück durch kleine Tanzeinlagen und eine sanfte musikalische Umrahmung. (mgt)