Christoph Rast klappt nach fast 40 Dienstjahren als Oltner Stadtbibliothekar symbolisch die Buchdeckel zu.
Darf man den Stadtbibliothekar fragen, in welcher Position er am liebsten lese. Man darf. «Lesen – besser liegend», sagt er. Im Sitzen werde es schneller unbequem. Er muss es wissen. Seit fast 40 Jahren ist Christoph Rast, Jahrgang 1950, beruflich mit der Stadtbibliothek Olten verbunden. Logisch, dass er zu den Viellesern gehört. Wer ihm das Faszinosum Buchstaben näherbrachte? «Jerry Cotton stand am Anfang. Und Fledermausromane.» Schundliteratur also. «Ja, warum nicht», hält Rast entgegen. Das Leben sei manchmal halt trivial, einfach, gespickt mit Höhen und Tiefen, Gefahren und Entspannung. Er lächelt. Süffisante Worte. Mag sein, dass er darum bis auf den heutigen Tag keine Art von Literatur verteufelt. Was er trotzdem nicht mag? Mit Fantasy könne er gar nichts anfangen, gesteht er spontan.
Rast wuchs in Olten auf, maturierte in Brig, lernte Buchhändler und liess sich an der Uni Bern zum Bibliothekar ausbilden. «Ich dachte, das sei für einen neugierigen Menschen wie mich eine wunderbare Gelegenheit, Wissens- und Erfahrungsschatz zu erweitern», sagt er. Im Mai 1975 trat er in Olten ein Volontariat an – und blieb. «Ich dachte damals, vielleicht nach einem Jahr weiterzuziehen.» Es kam anders. «Wenn ich überlege – ich würde alles wieder genau so machen», resümiert der Mann zufrieden, der von sich sagt, er könne auch mit Nichtlesern über Literatur reden. «Aber Bücher gehören nicht zu sehr psychologisiert, das macht sie kaputt.»
Wer Fast 40 Jahre selbenorts aktiv war, hinterlässt Spuren. Welche? «Bei meiner Tätigkeit habe ich versucht, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Und massgeschneiderte Lösungen für die Kunden anzubieten. Ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen.» Den seinerzeitigen Umbau der Lokalität führt er als gelungenes Beispiel dafür an. «Wer in die Bibliothek tritt, ist umgeben vom Buch.» Das habe er bei seiner planerischen Mitarbeit angestrebt; einen Ort zu schaffen, wo das Buch den Menschen in die Mitte nimmt. «Wer als Bibliothekar arbeitet, erhält Einblick in fremde Seelen» sagt er. Knapp 200 Personen täglich suchen den Ort an der Hauptgasse auf. Und wer Einblick in Seelen bekommt, muss zuhören können. «Ich glaube, das habe ich im Lauf der Jahre gelernt. Das ist meine Stärke», sagt Rast. Daneben bezeichnet er seine Unordentlichkeit als grösste Schwäche. Darum werde er als alt Stadtbibliothekar nach Neujahr noch aufzuräumen haben. Wie lange? «Ein paar Wochen», mutmasst er. Und schon fast entschuldigend: «Ich habe ja in diesen Räumlichkeiten gelebt.»
Als Stadtbibliothekar kümmerte sich Rast auch um Literatur jenseits des Mainstreams. Mehr als 200 Veranstaltungen solcher Art hat er organisiert, bot Profis und Hobbyliteraten eine Plattform. Er ist Vater des Café Littéraire (das führt er im Ruhestand weiter), ist weiterhin aktiv bei der Literaturspur, bei den Bücher Stützen. Er will sich der Militärgeschichte seiner Stadt Olten annehmen, zwischendurch Velo fahren, draussen sein und – logisch – lesen. Der viel zitierten Leseförderung, die häufig mit Pauken und Trompeten auftritt, will er sich nicht speziell annehmen. «Lesen ist stille Beschäftigung, und Leseförderung ist in erster Linie Aufgabe der Schule.»
Ist Rast je ein Literat untergekommen, der völlig unter Wert gehandelt wird? Er überlegt nicht lange. «Otto Wirz, in Olten geboren. Sein expressionistisches Werk ‹Gewalten eines Toren› von 1923 – völlig unbekannt. Schade.» Aber noch ist nicht der Zeitpunkt, diesbezüglich alle Hoffnung fahren zu lassen. Rast könnte das ändern, wenn er Ende Januar aufgeräumt haben wird.