Am Samstagnachmittag herrschte viel Lärm in der Altstadt. Eine kurz zuvor bewilligte Coronademonstration der «Freiheitstrychler» sorgte für grossen Aufmarsch. «Olten hält Abstand» hielt mit einer Gegendemo entgegen.
Samstagnachmittag auf dem Ildefonsplatz in Olten: Rund 300 Anhängerinnen und Anhänger der Massnahmenkritiker «Freiheitstrychler» versammeln sich an der prallen Sonne beim Stadtturm. Schweizer Fahnen flattern im Wind, Schilder mit Aufschriften wie «Fertig mit den Lügen» oder «Kein Impfzwang» fallen in der Masse besonders auf.
Eine ältere Dame ist als Helvetia verkleidet. Auf der anderen Seite des Platzes, gegenüber vom Stadtturm, stehen die 20 Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten der antifaschistischen Gruppierung «Olten hält Abstand», unter anderem mit einem grossen Transparent mit der Aufschrift «Kein Platz für Nazikuschler».
Hin und wieder gibt es verärgerte Wortwechsel zwischen Mitgliedern der beiden Lager oder ein Duell von Sprechchören. Immer wieder setzen die Massnahmenkritiker zu einem mehrfachen «Liberté!» an, anschliessend antworten die Gegendemonstrierenden mit antifaschistischen Rufen. Zu Handgreiflichkeiten kommt es auf dem Ildefonsplatz nicht.
Wie eine Gegendemonstrantin erklärt, gab es bei der Planung keinen fixen Organisator. «Auf Twitter hat es geheissen, es gäbe eine Demonstration und man solle zusammen entgegen halten.» Auf die Frage, was die Gruppe damit bezwecken will, schaltet sich ihr Kollege ein:
«Unser Problem sind nicht die Leute, die auf der Strasse gegen die Massnahmen protestieren.»
Schliesslich hätten alle Menschen in der Schweiz ein Recht auf ihre Meinung. «Uns stört, dass mit diesen Menschen vielmals leider auch Verfassungsgegner mitlaufen. Wir wollen diesen Leuten in unserer Stadt keine Plattform bieten», erklärt er. Die beiden beteuern, dass die Gruppe nicht auf Gewalt aus sei. Die anderen Personen der Gruppe halten sich mit Bedacht zurück, Aussagen zu tätigen. Vereinzelte Nachfragen für ein Statement werden mit einem «lieber nicht» abgeschmettert.
Medienscheu ist man auch auf der Seite der Massnahmenkritikerinnen- und - kritikern. Entweder weigern sich die Demonstrierenden prinzipiell mit Leuten mit Nasen- und Mundschutz zu sprechen, tun so, als würden sie einen nicht verstehen oder sagen auf Anfrage: «Tut mir leid, mit Medienschaffenden spreche ich nicht.» Für eine Auskunft stand somit keine Person zur Verfügung.
Gegen 14 Uhr ziehen die Massnahmenkritikerinnen und -kritiker mit Kuhglocken vom Ildefonsplatz über den Amthausquai durch die Ringstrasse bis zur Solothurnerstrasse, dann über die Kirchgasse zurück zum Stadtturm. Die Gegendemonstrierenden versuchen, den Umzug an manchen Stellen zu verhindern, so beispielsweise auf der Kreuzung der Baslerstrasse und der Ringstrasse. Ein direktes Aufeinandertreffen konnte die Kantonspolizei unterbinden.
Trotzdem kommt es zu einzelnen Scharmützeln, da die Gegenformation «einzelne Teilnehmende provozierte», wie aus einer Medienmitteilung der Kantonspolizei Solothurn hervorgeht. Auch in der Kirchgasse kommt es zu einem Vorfall. Ein Massnahmenkritiker attackiert einen Gegendemonstranten mit einer Flasche.
Die Kapo Solothurn schildert die Situation in der Medienmitteilung vom Sonntag so:
«Die Polizei war von der Vehemenz der Provokationen der Gegendemonstranten gefordert. Ab Mitte des Demonstrationsverlaufs musste sie Blockaden der Umzugsroute und direkte Konfrontationen zwischen den beiden Gruppierungen unterbinden. Dabei konnte nach vorgängiger Provokation ein unvermittelter Übergriff auf einen Gegendemonstranten nicht verhindert werden.»
Laut einem Tweet des Investigativreporters Fabian Eberhard trägt der Gegendemonstrant eine Platzwunde davon. Genauere Hintergründe und Ursachen der Tat bleiben unbekannt.
Olten: Corona-Skeptiker schlägt einem Gegendemonstranten eine Flasche über den Kopf. #ol2108 pic.twitter.com/b6bBJwwhPb
— Fabian Eberhard (@FabianEberhard) August 21, 2021
Die Polizei habe, wie sie mitteilt, den Vorfall beobachtet und die beteiligten Personen angesprochen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Verletzung jedoch nicht bekannt, die Situation unübersichtlich und hektisch gewesen. «Neue Aufträge an die Polizeikräfte verunmöglichten es, die Personalien festzustellen. Das Opfer wurde zweimal von der Polizei angesprochen, Hilfe angeboten und nachfragt. Es äusserte sich im Sinne, dass es mit der Polizei nichts zu tun haben wolle», so die Kapo in ihrem Statement. Der gesamte Einsatz werde nun intern aufgearbeitet.
Gegen 16 Uhr ist der Trubel wieder vorbei, die Mitglieder der Gruppe «Olten hält Abstand» lösen sich auf und verkünden über Twitter «das Ende der Gegendemonstration». Auf dem Ildefonsplatz bleiben die letzten «Freiheitstrychler» übrig und rollen ihre Fahnen ein. Auch die Einsatzkräfte ziehen sich aus dem öffentlichen Raum zurück.
Den Organisatoren der Kundgebung wurden kurz vor Start des Umzuges durch Vertretern der Stadtbehörden eine Bewilligung erteilt, wie es in der Medienmitteilung der Kantonspolizei Solothurn heisst. «Wir haben mit den Organisatoren einen Kompromiss gesucht und eine eigene Route für die Demonstration gewählt, die von Polizistinnen und Polizisten begleitet wurde», erklärt Abteilungsleiter für Ordnung und Sicherheit der Stadt Olten, Franco Giori, auf Anfrage. Zudem hat die Kantonspolizei laut Mitteilung eine Wegweisung ausgesprochen. Meldungen zu Sachbeschädigung im Zusammenhang mit der Kundgebung seien bei der Polizei hingegen keine eingegangen.