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Der Schweizer Kabarett-Preis Cornichon geht an Christoph Sieber. Der Deutsche erzählt, was er vom Schweizer Publikum hält.
«Hoffnungslos optimistisch» heisst Christoph Siebers aktuelles und fünftes Solo-Programm. Wobei der gebürtige Schwabe darin mehr hoffnungslos als optimistisch klingt: «Es ist symptomatisch, dass die Menschen, denen wir unsere Kinder anvertrauen, schlechter bezahlt werden als die, denen wir unser Geld anvertrauen», beklagt er im Programm.
Optimistisch darf Sieber (47) jedoch in Bezug auf seine Karriere sein. Nachdem er 2015 den deutschen Kleinkunstpreis gewann, kann er sich seit heute mit dem Schweizer Kabarett-Preis 2017 schmücken. «Der Preis bedeutet mir sehr viel, denn das Schweizer Publikum ist detailverliebt, es achtet mehr auf die Nuancen und schätzt eine gewisse Tiefe im Programm.»
Der ausgebildete Pantomime arbeitet als Moderator, Autor und Kabarettist. Bekanntheit im Fernsehen erlangte er mit Auftritten in der ZDF-Sendung «Die Anstalt». Seit zwei Jahren moderiert er zusammen mit Tobias Mann seine eigene Late-Night Comedyshow «Mann, Sieber!», in der das Duo die nationale Politik aufs Korn nimmt und kritisiert. Kritik an Politik und Gesellschaft übt Sieber auch in seinem aktuellen Solo-Programm, wo er Kapitalismus und Massenkonsum an den Pranger stellt.
Zu diesen eigentlich ernsten und lustlosen Themen meint Sieber: «Als Kabarettist bin ich ein Beschreiber der Zeit, jemand, der aufzeigt, was passiert und warum es passiert. Ich finde es auch ermüdend, immer wieder über Fremdenhass zu reden.»
Er bringt sein Publikum dazu, über die Gesellschaft zu lachen und gleichzeitig sich für das eigene Verhalten zu schämen. Dabei bedient er sich globaler Themen wie Armut oder Klimawandel, dessen Dramatik er an banalen Beispielen aus dem Alltag aufzeigt. Siebers Zuschauer gehen durch ein Gefühlschaos.
«Das Programm ist nicht immer zum Lachen. Aber wir müssen im Umgang mit solchen Themen eine gewisse Gelassenheit reinbekommen. Ein Weg dahin ist der Humor», so Sieber. Im einen Moment krümmen wir uns vor Lachen und im nächsten ärgern wir uns über uns selbst und die Missstände in unserer Gesellschaft.
Diese Art, den Zuschauer erst in Lachen zu versetzen und dann bitteren Ernst zu verbreiten, macht sein Programm unverwechselbar. «Ich leiste eine Überzeugungsarbeit, ich zeige eine Seite der Medaille der Welt, die manche vielleicht noch gar nicht gesehen haben», so Sieber zur Rolle des Kabaretts in der Politik.
Selbst in die Politik zu gehen, schliesst er aus: «Im politischen System musst du funktionieren, sonst schaffst du es nicht. Das sieht man auch bei der AfD, die Politik kennt Strukturen, worin man funktionieren muss. Und ich will nicht Teil dieses Establishments sein.»
Im Mai beehrt Sieber das Schweizer Publikum mit zwei Vorstellungen im MGB-Hochhaus Theatersaal in Zürich und einem Auftritt an den Oltner Kabarett-Tagen. «Hoffnungslos optimistisch» lässt den Besucher den Saal lachend und nachdenklich verlassen. Lachend, weil Siebers voraussehenden Witze urkomisch sind, und nachdenklich, weil seine Kritik am System und unserer Gesellschaft den Nagel auf den Kopf trifft.