Jeder Oltner soll einen 222-Franken-Gutschein erhalten – die Idee von FDP-Fraktionschef Urs Knapp findet in den eigenen Reihen keinen Anklang.
«Tönt gut, ist aber eine völlige Schnapsidee.» Der Oltner Finanzdirektor Benvenuto Savoldelli nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er über das Ansinnen seines Parteikollegen Urs Knapp spricht. Der FDP-Gemeindeparlamentarier will jedem erwachsenen Oltner Einwohner einen 222-Franken-Gutschein in die Hand drücken und dafür einen Teil des letztjährigen Gewinns der Stadt Olten, nämlich 3,4 Millionen Franken, anzapfen (siehe gestrige Ausgabe). Savoldelli: «Wenn wir schon Gutscheine verteilen, soll dies nicht mit dem Giesskannenprinzip geschehen, sondern das Geld an jene Firmen gehen, die es wirklich brauchen.» Zudem ist Savoldelli der Meinung, dass neben Bund und Kanton nicht auch noch die Gemeinde Gelder sprechen muss. «Bund und Kanton haben relativ unbürokratisch rasch viel Geld zur Verfügung gestellt.» Im Stadtrat sei eine ähnliche Idee nie zur Diskussion gestanden. Bisher hat die Oltner Regierung eher versucht, auf Einnahmen zu verzichten, statt direkt Gelder zu sprechen, etwa indem Parkplatzgebühren während der Lockdown-Zeit nicht erhoben wurden (wir berichteten).
Auch Knapps Parteikollege und derzeitiger Gemeindeparlamentspräsident Daniel Probst hält die Massnahme «weder für wirtschaftlich noch finanzpolitisch sinnvoll», wie er auf Anfrage schreibt. «Was wir mit Gutscheinen heute verteilen, werden wir in Zukunft mit Steuern zahlen oder Investitionen kürzen müssen.» Wer argumentiere, man würde die Pro-Kopf-Verschuldung nur um 222 Franken erhöhen, verkenne, dass man insgesamt von rund 3,4 Millionen Franken spreche. Millionen, die dann für Investitionen wie ein neues Schulhaus mit Turnhalle, einen attraktiven Aarezugang oder einen neuen Bahnhofplatz fehlten. Auch wenn die Aktion gut gemeint sei: Mit einem Gutschein lasse sich die Konsumentenstimmung, die aktuell im Keller sei, nicht heben. Die Leute hätten ohne Gutscheine genug Geld und würden auch so konsumieren – wegen des Nachholeffekts.
Ebenfalls nicht unterstützt wird Knapps Idee von den Gewerbevertreten. Darko Bosnjak, Co-Präsident des Oltner Gewerbeverbands, schreibt auf Anfrage: «Der Effekt auf die einzelne juristische Person ist mit 222 Franken nicht riesig. Investitionen in die Attraktivierung der Stadt zugunsten aller haben in meinen Augen eine grössere Wirkung.» Bedenken hat er ebenfalls wegen des Giesskannenprinzips: «Eventuell hätten einzelne, direkte Aktionen mehr Wirkung.» Urs Nussbaum, Präsident des regionalen Industrie- und Handelsvereins, schliesst sich der Kritik an: «Der Vorstoss will mit der Ankurbelung der Oltner Konsumentenstimmung, Innovationsförderung im Stadthaus und Förderung der in Olten steuerpflichtigen Betriebe zu viele Ziele gleichzeitig erreichen.» Die 3,4 Millionen Franken würden besser zur Stärkung der Stadtfinanzen des absehbar schwierigen Jahres 2020 genutzt. «Es wäre eher schwer verständlich, wenn wir erst ein 3,4-Millionen-Konjunkturprogramm fordern würden und anschliessend gegen Steuererhöhungen auf die Barrikaden gehen.» Und auf lange Sicht seien attraktive Rahmenbedingungen, auch steuerlich, immer noch die einfachste und nachhaltigste Wirtschaftsförderungsmassnahme, schreibt Nussbaum.
Auch Christian Werner, SVP-Parlamentarier und Präsident des kantonalen Gewerbeverbands, steht dem Ansinnen kritisch gegenüber. «Ich finde es grundsätzlich falsch, Steuergelder in Millionenhöhe nach dem Giesskannenprinzip zu verteilen.» Er werde aber der Dringlichkeit zustimmen, da eine Behandlung der Motion in einem halben Jahr keinen Sinn mehr ergebe.