Kann man lernen zueinander zu finden? Das Bühnestück «Blütenträume» beantwortete die Frage im Oltner Stadttheater.
Das Schauspiel «Blütenträume» von Lutz Hübner in der Mitarbeit von Sarah Nemitz sorgte für einen einmalig unterhaltsamen und berührenden Theaterabend unter der Regie durch Kay Neumann.
Die Witwe Frieda, mit viel Witz gespielt von Claudia Rieschel, der originelle Schreiner Ulf, köstlich interpretiert von Michael Altmann, der Automechaniker Heinz, hautnah gespielt durch Michael Derda, die Witwe Gila, interpretiert mit viel Sinn für Nuancen von Renée Zalusky, die junge hübsche Maklerin, glänzend dargestellt durch Saskia Valencia, Hans-Peter Deppe als interessanter eigenwilliger Schuldirektor Friedrich, Antje Cornelissen als schrullige, glänzend spielende Bibliothekarin Britta und oben drauf der Seminarleiter Jan, interpretiert mit viel Sinn für Komik von Armin Sengenberger, waren ein Team von unglaublicher Ausdruckskraft.
All die menschlichen Hintergründe, das Eigenständige und das Suchende, das vom Leben Gezeichnete und das noch zu Erhoffende spielte das Ensemble glänzend heraus. Hautnah tauchte man in diese unterschiedlichen Leben mit all seinen Bildern ein.
Sich verlieben-lernen
Der nüchterne Seminarraum widerspiegelte den Versuch des Seminarleiters Jan, Menschen zu helfen, die einen Volkshochschulkurs «55plus» besuchten, um das Flirten und Sich-Verlieben neu zu erlernen. Diese unterschiedlichen Menschen sassen auf Stühlen im kahlen Schulraum, wollten sich kennenlernen und versuchten etwas von sich zu geben, das mehr war als eine Farce.
Doch meist blieb es bei ein paar hilflosen Worten, und der Schulleiter Jan wirkte noch hilfloser in seiner Betreuung und Führung, denn er konnte keinen Bogen zu diesen Menschen spannen. Als gescheiterter Schauspieler «30plus» fehlte ihm auch die innere Reife, um diese eigenwilligen unterschiedlichen Charaktere in den Griff zu bekommen. Er versagte erbärmlich, und die Seminarteilnehmer forderten ihn zum Rücktritt auf.
Die feinen Auseinandersetzungen unter diesen sieben Teilnehmenden mit ihrem Leiter waren von einmaliger Aussagekraft. Witzig und urkomisch, tragisch und ungemein wahr, weil das Leben nun mal so spielt, und man in einem gewissen Alter einen Teil der Illusionen verliert und zu einer ungewollten Direktheit findet, die nicht nur verbindende Aspekte in sich trägt, sondern auch trennende. Im ersten Teil erlebte man diesen Seminarraum bis in jede Einzelheit, erkannte man das verzerrte Spiel, die künstliche Aufreihung verschiedener Gedanken, die zu nichts führten. Am Schluss erkannten die Seminarteilnehmer, dass Jan eine Niete war und sie sagten es ihm auch. Der Kurs löste sich auf.
Andere Wendung
Wenn das Publikum nun glaubte, dass das Spiel um das Leben und die Liebe jetzt sein Ende fände, der täuschte sich. Die Geschichte bekam eine andere Wendung. Plötzlich befanden sich die Menschen mit ihren unterschiedlichen Lebenserfahrungen in einer Situation, aus der sie persönlich etwas machen wollten. Sie liessen sich aufeinander ein, entdeckten Gefühle, Sympathien füreinander. Faszinierend war, wie sie ihre neuen Rollen erlebten. Es wurde getrunken und getanzt, es wurde aus dem Leben erzählt. Und plötzlich kam der Gedanke auf, zusammenzu- ziehen und gemeinsam in den Lebensabend einzusteigen.
Doch das Leben hat seine eigenen Gesetzmässigkeiten. Als man schon beim Aussuchen einer Wohnung war, besann sich der Schuldirektor Friedrich auf sein eigenes Leben und verschwand mit der schrulligen Bibliothekarin. Auch Heinz der Automechaniker verabschiedete sich, aber nicht allein, sondern Frieda ging mit ihm. Die jüngere Julia ging ebenfalls wieder neu ihrem Beruf nach. Und so blieb der Schreiner Ulf und die Witwe Gila noch beieinander. Er hatte sie schon lange auserwählt, sie gefiel ihm, und seine Annäherungsversuche waren von berührender Zartheit und Unbeholfenheit. Sie brauchte noch etwas Zeit, und wie sie dann doch zueinander fanden war voller Zauber und Menschlichkeit.
Lutz Hübner gelang ein Schauspiel, das Realitäten aufzeigte, mit Bildern spielte und variierte, Humorvolles und Ironisches einfliessen liess, aber auch Trauriges; so wie das Leben eben spielt. Und in dieser Mischung aus Gefühlen erlebt man als Zuschauer ein Theaterstück, das berührte und fesselte. Trotz der Komik spürte man auch immer ein Stück Verzweiflung. Dies machte den Theaterabend so wertvoll, weil es nicht um Banalitäten ging, sondern um die grosse Einsamkeit, die oft irgendwo auf einen wartet. Wobei im Wort «Blütenträume» immer auch ein Stück Hoffnung liegt.