Startseite
Solothurn
Olten
Die 22. Auflage der vorfasnächtlichen Oltner Produktion Banausiade lockte wieder mehr als 1000 Gäste nach Trimbach.
Mit welchen Prädikaten ist sie in den letzten Jahren doch etikettiert worden, die Banausiade. Die fasnächtliche Unterhaltungsshow, die grelle Blitze schleudert und samtene Töne säuselt, reifen Hammen mit Kartoffelsalat reicht sowie Roten und Weissen kredenzen lässt: Ja, die Banause-Zunft versteht’s von Jahr zu Jahr, dem Unterhaltungskuchen noch ein weiteres Sahnehäubchen aufzusetzen.
Aber zurück zu den Prädikaten: «Die Beste» (2019), «eine Erfolgsgeschichte» (2018), «nicht mehr aus der Oltner Fasnacht wegzudenken» (2017), «Humor-Medizin der Banausen» (2009), «ins Schwarze getroffen» (2015). Gar vom «versprühten Fluidum der so gut erträglichen Leichtigkeit des Seins» (2014) war da mal die Rede. Bilanz 2020: «State-of-the-art». Wer übers vergangene Wochenende keines der rund 1000 Billette für die beiden ausverkauften Vorstellungen in Trimbachs Mühlemattsaal ergattern konnte, dem sei verraten: Schade, hätte sich gelohnt. Und als Trost: Vielleicht klappt’s dann im nächsten Jahr.
«Die Ausgabe 2020 gehört nach meiner Ansicht vielleicht ins beste Drittel», schlussfolgerte der geistige Vater der Banausiade, Heinz Neuenschwander am Samstagabend nach einer Spielzeit von gut zweieinviertel Stunden. Ein spektakulär-buntes Wort- und Musikprogramm hatte dem Publikum vorgegaukelt, Olten sei der touristische «place zu be», der Ort der Orte, der zu besuchen sei. Natürlich entpuppte sich die Geschichte als ein Missverständnis, als die Vision eines Aare-Anglers (Cédric Aeschlimann), der schliesslich von seinem Fischerkollegen (Claude Waeber) aufgeklärt wird. Alles nur Einbildung eben.
Olten bleibt als Ort der Tristesse zurück, leere Gassen, farblose Gebäude, ohne sandigen Aarestrand, ohne Souvenirs. Aber: Oltnerinnen und Oltner gefällt’s auch so; vielleicht sogar besser, als wenn sich Touristen in Heerscharen einen Weg durch die Gassen pflügen würden. Da passte das traditionelle Finale mit dem Chor der Gefangen aus Verdis «Nabucco« doch bestens. Gefangen in der Stadt, die einem doch so kompromisslos ans eigene Herz gewachsen ist.
Mit zu den Meisterleistungen des Abends gehörte jene von Blasart rund um Heinz Schönenberger, der mit seinen Compatriotes ein klassisches Konzert von drei Stunden auf drei Minuten eindampfte, weil asiatische Touristen eben keine Zeit haben für solcherlei Produktionen. «Die müssen heut’ noch aufs Jungfraujoch», mahnte Stadttheaterdirektorin Edith Scott persönlich. Aber selbst der Donauwalzer unter Publikumsbeteiligung lag unter diesen Bedingungen noch drin. Auch der einzige von der Stadt autorisierte Ansichtskartenverkäufer (Reto Fedeli) litt unter der Hetze asiatischer Touristen. Noch nicht mal den Mundschutz im FKK-Setting vermochte er der Masse anzudrehen. Mehr Zeit hatte dagegen einer aus St. Gallen (Thomas Droll). Der radebrechte über Olten, vertauscht Buchstaben – er hat auf dem Plaschterchlotz (Chlosterplatz) zufällig einen Parkplatz gefunden – und wusste in fürchterlicher Ostschweizer Mundart schampar viel über Oltens Eigenheiten zu erzählen: von Stadtrat Marbet als Apéroheld etwa oder von alt Stadtpräsident Zinggs Tantiemen als Verwaltungsrat bei der a.en.
Auch Obernaar Hilarius 100. (Philipp Müller) und seine 100-jährige Hilari-Zunft brachten den Saal in Wallung. Ohne (über)spitze Zunge übrigens, einfach mit einer grundsoliden Wort- und Klangproduktion. Das gilt auch für die Gugge Müüs. Sie sollte auf dem Roten Platz in Moskau Touristen anwerben für die grösste Fasnacht in Olten. Erfolglos natürlich, aber die gespielte Musik war hervorragend geeignet, um zu bleiben. Nicht in Moskau, sondern im Mühlemattsaal. Und die für touristische Zwecke arrangierte angeblich Thanksgiving-Produktion früherer Jahrhunderte mit Claire Charpentier an der Orgel und acht Alphörnern katapultierte die Gesellschaft ins Reich der Fake News. Die Säli Tropfi hielt aber mit fasnächtlichen Wahrheiten dagegen und zelebrierte neben Musik eben auch Intimes aus der Szene.
Und da gab’s auch noch Nöschi (Heinz Neuenschwander). Ob als indischer Koch («Ich mach’ Ihnen heute ein Curry, an das sie morgen noch denken») oder als Dr. Leid, der den notorischen Leserbriefschreiber Rolf Sommer zu kurieren versuchte: Der Mann und seine Auftritte sind ein Wucht. Und er denkt schon an die 23. Auflage. «Die Vorarbeiten dazu beginnen im Mai», sagte er.