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Mitglieder der Turnvereine aus Niedererlinsbach, Kienberg und Gunzgen berichten, wie sie den Sturm erlebt haben; unter ihnen gabs auch Verletzte.
Donnerstagabend, 17.30 Uhr: 45 Minuten vor der Evakuierung absolvierten die Athleten des STV Niedererlinsbach die Pendelstafette. «Gerade als wir den Wettkampf beendet hatten und zum Weitwurf aufbrechen wollten, kam die Durchsage, dass wir zum Schutz vor dem Unwetter ins Laufzelt gehen sollen», berichtet Marcel Koller, ehemaliger Präsident des STV Niedererlinsbach und aktiver Turner, von den Ereignissen. Weil das Laufzelt zu weit von ihrem Standort entfernt war, fanden die Erlinsbacher Unterschlupf in einem anderen Zelt.
Dieses sei aber von der Wucht des Windes aus der Verankerung gerissen und davongeweht worden. In der Folge suchten er und seine Vereinsmitglieder Schutz hinter Landwirtschaftsmaschinen.
«Mein Ziel war es, meinen Kopf zu schützen», so Koller, «die grösste Angst war, dass wir von herumfliegenden Teilen getroffen werden. Abgesehen von ein paar Kratzern ist unseren Turnern aber glücklicherweise nichts passiert.» Nach dem Unwetter sei er mit den Teamkollegen, «zur Ablenkung», an die Volleyballnight gegangen, welche ordnungsgemäss durchgeführt werden konnte.
Abschliessend meinte der 42-jährige Marcel Koller, dass er so etwas noch nie erlebt habe: «Das war schon ein riesiger Schrecken. Aber ich mache niemandem einen Vorwurf – unglaublich, wie schnell der Sturm ausgebrochen ist. Es gab kaum Zeit zum Handeln.»
Just, als die Turner des STV Kienberg vom Bieler Bahnhof her in Richtung Festgelände losmarschieren wollten, ist es dunkel geworden am Himmel. «Kurz zuvor herrschte noch schönstes Wetter», erzählt Roland Bienz, Präsident des Kienberger Turnvereins. «Plötzlich aber sind dunkle Wolken aufgezogen und es hat ordentlich ‹gchuttet›.» Schnell folgte die Durchsage, dass das Festgelände wegen des Sturms nicht mehr zu begehen ist.
«Es sind dann auf einmal alle losgerannt – Panik ist aufgekommen», beschreibt Bienz das Szenario. Die Kienberger haben in der Folge ein Parkhaus in der Nähe des Bahnhofs angesteuert und dort Unterschlupf gesucht. «Dort waren wir sicher. Man kann wirklich sagen, dass wir glimpflich davongekommen sind.»
Die Folgen des Sturms blieben aber den «glücklichen» Kienbergern nicht verwehrt. «Der Zeltplatz hat übel ausgesehen», sagt Bienz. Bald einmal habe sich das Treiben auf dem ETF-Gelände wieder normalisiert. «Nachdem wir unsere Zelte aufbauen konnten, gingen wir in den Ausgang. Dort war die Stimmung dann eigentlich gar nicht schlecht.»
Auch am gestrigen Vormittag, als das Wettkampfgeschehen bereits wieder weitergeführt wurde, merkte man den Teilnehmern nicht mehr viel vom Sturm an. Aber natürlich ist es das Gesprächsthema Nummer 1, die Gerüchteküche brodelt – vor allem wird viel über die Verletzungen der Betroffenen spekuliert, wie Bienz, der kurz vor seinem Leichtathletikeinsatz steht, sagt.
Hautnah dabei und betroffen von den Auswirkungen des Sturms war auch Marius Fürst, Präsident des TV Gunzgen. Er und seine Kolleginnen und Kollegen waren gegen 18.15 Uhr dabei, mit anzupacken und umgestürzte Zelte von der Strasse wegzutragen. «Dabei rammte sich ein Träger in meinen Finger», erinnert sich Fürst.
Als er sich in einem Spital in Biel behandeln lassen wollte, schickte man ihn weg. «Man sagte mir, ich solle nach Hause gehen und mich dort nähen lassen, weil es in Biel Leute gab, die schwerer verletzt waren als ich und sie die zuerst behandeln mussten. Das verstand ich total.» Als einige Turnerinnen und Turner aus Oberbuchsiten sich auf den Rückweg ins Solothurner Gäu machten, schloss sich der ohnehin in Oberbuchsiten wohnhafte Marius Fürst ihnen an.
Gegen 22 Uhr hatte er seinen Termin beim Hausarzt in Hägendorf, der Fürsts Verletzung mit vier Stichen nähte. Die fast vierstündige Wartezeit habe ihm und seinem Finger nichts ausgemacht. «Die Wunde hat einfach geblutet. Das war alles.»
Doch einen echten Turner kann nicht so schnell etwas ausser Gefecht setzen. Am nächsten Morgen – also gestern – sass Marius Fürst um 6.15 Uhr bereits wieder im Zug nach Biel, um um 8 Uhr zusammen mit Turnsenioren den Fachtest zu absolvieren.
«Es ging perfekt; ich konnte trotz meiner Verletzung tipptopp turnen.» Einige Turner aus Gunzgen seien in Magglingen am Leichtathletikmehrkampf im Einsatz gewesen. «Sie mussten halt den Shuttlebus nehmen, weil das Bähnlein Stromausfall hatte.» Trotzdem konnten die Turnerinnen und Turner aus Gunzgen, deren Zelte vom Sturm gänzlich verschont geblieben waren, laut Fürst auch dabei eine «perfekte» Leistung erbringen.
Gestern Freitag war der Vereinspräsident zusätzlich noch von 13 bis 21 Uhr als Kampfrichter im Einsatz. «Das ging problemlos mit der Verletzung.» Heute Samstag nehmen die Untergäuer zudem am Vereinswettkampf teil. Sämtliche Einsätze konnten die Gunzger zur geplanten Zeit absolvieren. Und: «Ich bin der einzige Verletzte unseres Vereins», so Fürst.
Er und seine Kolleginnen und Kollegen fahren morgen Sonntag mit einem Sonderzug ins Solothurner Gäu zurück, wo sie um 18 Uhr bei der Gemeindeverwaltung von Angehörigen, Fans und «Offiziellen» empfangen werden. «Dann kann das Dorffest losgehen», meint Marius Fürst. (AG, KAS, RAW)