Hägendorf
Alltag in der Tier-Arche: Knuddeln mit Herrn Nüssli

Die Tier-Arche in Hägendorf sorgt für einen angenehmen Lebensabend von Hund, Schwein und Pferd. Am Samstag ist Hoffest.

Lena Bueche
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Tier-Arche Hägendorf mit Tanja und Daniel Moser und ihren geretteten Tieren
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Tier-Arche Hägendorf mit Tanja und Daniel Moser und ihren geretteten Tieren

Bruno Kissling

Um nach einem stressigen Arbeitstag herunterzufahren, streicheln manche Haustierbesitzer ihre Katze oder ihren Hund. Tanja Moser kuschelt mit einem Schwein. Nicht etwa mit einem niedlichen Ferkel, sondern mit einem ausgewachsenen, 400 Kilogramm schweren, kastrierten Eber.

Herr Nüssli, wie das imposante Tier heisst, ist eines von fünf Mastschweinen, die Anfang Jahr in der Tier-Arche in Hägendorf Unterschlupf gefunden haben. Zu den weiteren Mitbewohnern von Herrn Nüssli gehören Nice, ein Terrier-Mischling aus Rumänien, an dem veterinärmedizinische Experimente durchgeführt wurden; das ehemalige Rennpferd Oki, das vor der Schlachtung bewahrt wurde, sowie eine Schar Hühner, die üblicherweise entsorgt worden wäre – weil Legehennen nach etwa einem Jahr in der Eierproduktion nicht mehr genügend Leistung erbringen und deshalb ausgetauscht werden. Sie alle dürfen nun ihr restliches Leben auf dem Hof der Tier-Arche verbringen und nach Lust und Laune schlafen, fressen und spielen.

Minischwein Arash blieb nicht lange allein

Dabei hatten Tanja Moser und ihr Ehemann Daniel ursprünglich gar nicht im Sinn, ein Refugium für ausgediente Nutztiere und nicht-platzierbare Haustiere zu gründen. Als die beiden vor rund viereinhalb Jahren aus dem Baselbiet nach Hägendorf zogen, wollten sie sich lediglich ein Minischwein anschaffen – weil auf dem neu erworbenen Hof am Dorfrand so viel Platz war. Aber Arash, das Minischwein, blieb nicht lange allein. Immer wieder stiessen neue Tiere dazu, die von Bekannten aus misslichen Situationen befreit und an das tierliebende Ehepaar weitervermittelt wurden. «Weil wir wussten, dass diese Tiere eingeschläfert oder geschlachtet werden, wenn sie kein neues Daheim finden, haben wir stets nach Möglichkeiten gesucht, sie bei uns aufzunehmen», erzählt Tanja Moser.

Unterdessen sei die Kapazitätsgrenze aber erreicht: Auf dem Hof mit seinen rund 6000 Quadratmetern Umschwung könnten keine zusätzlichen Tiere mehr untergebracht werden. Ausserdem sei der tägliche Arbeitsaufwand beträchtlich: misten, füttern, putzen, Besucher betreuen – das alles erledigt das Ehepaar nebenher. Denn eigentlich arbeiten Tanja und Daniel Moser als Masseure und Rückentherapeuten. Gemeinsam betreiben sie zwei Praxen: eine in Liestal und eine an ihrem Wohnort in
Hägendorf.

Belastungsgrenze ist erreicht

Als Selbstständige profitieren sie zwar von flexiblen Arbeitszeiten und können sich so die Pflege der Arche-Bewohner gut einteilen. Aber obwohl beide Vollzeit tätig sind, haben sie mit der Aufnahme der Schweine Anfang Jahr die Grenze des finanziell Tragbaren erreicht. Allein das Futter schlägt monatlich mit rund 1500 Franken zu Buche.

Deshalb haben Tanja und Daniel Moser im März einen Verein gegründet, um über Spenden und Patenschaften Geld für die Tiere zu sammeln. Zudem findet am Sonntag, 1. September, eine Benefizveranstaltung statt: Am Hoffest können Kinder sich schminken lassen, Tiere streicheln und Ponyreiten; zudem gibt es diverse Spiele, eine Tombola mit gesponserten Preisen und veganes Essen. Tanja Moser ist sich bewusst, dass sie mit der Arche nur wenige Tiere retten kann. Für die überzeugte Vegetarierin, die sich aufgrund einer Milcheiweissallergie seit Kurzem sogar vegan ernährt, ist deshalb die Öffentlichkeitsarbeit ein wichtiges Anliegen. «Ich will Fleischesser zum Nachdenken bewegen. Sie sollen sich fragen, woher das Schnitzel auf ihrem Teller eigentlich stammt.»

Die Unterscheidung zwischen Haus- und Nutztieren findet sie willkürlich: «In unserer Gesellschaft gilt es als selbstverständlich, dass Hunde Beschäftigung und Auslauf brauchen. Schweine dagegen werden in enge Ställe gepfercht und sich selbst überlassen – obwohl sie viel intelligenter sind als Hunde.»

Begegnungen auf Augenhöhe

Auf dem Arche-Hof sollen die Besucher den Tieren auf Augenhöhe begegnen und sie als Individuen mit eigenem Charakter erfahren dürfen. Daher öffnet die Tier-Arche immer wieder ihre Tore. In den Sommerferien zum Beispiel wurde ein Lager für Schulkinder durchgeführt und am 1. August ein Brunch angeboten. So können sich interessierte Kinder und Erwachsene selber davon überzeugen, wie beruhigend und entschleunigend es sein kann, ein Schwein zu kraulen.

Das Hoffest der Tier-Arche findet am Sonntag, 1. September, von 11 bis 17 Uhr in Hägendorf an der Sandgrube 22 statt.
Eine Anmeldung bis Freitagabend unter www.tier-arche.ch ist erwünscht. Sämtliche Einnahmen des Festes kommen den Tieren zugute.