Die Anfrage eine Kolumne zu schreiben, überraschte und ehrte mich zugleich. Obwohl erst Zweifel aufkamen, nahm ich das Angebot dankend an und freue mich sehr, werte Leserinnen und Leser, meine Gedanken mit Ihnen teilen zu dürfen.Frei sein über irgendein Thema schreiben zu können und auch zu dürfen ist ein grosses Privileg, das wir hier als selbstverständlich erachten.
Mit der gegebenen Freiheit bleibe ich hier und schweife meinen Niederämterblick Richtung Westen, dort wo die Jurahügel eine Höhe von über 1000 Metern erreichen. Ja, der Wisenberg gehört auch dazu, aber mein Interesse gilt einer anderen Erhebung, welche noch etwas höher und westlicher gelegen ist. Vermutlich kommt ihnen auch die weitum bekannte Belchenflue mit der herrlichen Aussicht in alle Himmelsrichtungen sowie den militärischen Anlagen aus dem 1. Weltkrieg in den Sinn. Dort wo man in der Jurasüdfuss-Nebelzeit meistens die Sonne erblicken sowie die wärmenden Strahlen geniessen darf und sich die Nebelsuppe manchmal wie aus einem überlaufenden Kochtopf vom Mittelland her über die Jurahöhen auf die Baselländerseite ergiesst. Nein es ist eine andere Flue, die sich aber ganz in der Nähe befindet.
Zur «Erstbesteigung» lud ich meinen guten Freund Max ein, mit dem ich schon viele Abenteuer auf Reisen erleben durfte. In den spärlichen Beschreibungen der Flue aus den digitalen Medien war von Wegen mit ausgesetzten Stellen und einem - mit einer Kette versehenen - Aufstieg die Rede. Beim nicht schwindelfreien Flachländer läuteten die Alarmglocken. Erschwerend kam hinzu, dass es keinen offiziellen Wanderweg auf den 1071 Meter hohen Kamm gab. Schon am Vorabend stiegen meine Nervosität und meine Anspannung gewaltig an. Ständig kreisten die beiden Fragen in meinem Kopf, ob wir einen Aufstiegsweg finden werden und dieser für mich auch begehbar wäre.
Am nächsten Morgen, nachdem die Aufregung etwas der Neugierde gewichen und die Wanderschuhe geschnallt waren, nahmen wir die erste Etappe unter die Räder und parkierten in der Nähe eines Bauerhofes. Von dort erfolgte die erste Annäherung zu Fuss auf einem Wanderweg. Auf der Zwischenhöhe angekommen liess sich wie vermutet keine Fortsetzung finden. Doch die Richtung stimmte. Wir überquerten kurzerhand eine stark ansteigende Wiese, um weiter oben in den bewaldeten Nordhang der etwa 300 Meter langen Flue zu gelangen. Das Gelände zu Beginn steil, flachte sich allmählich ab und beim Waldrand angelangt, führte ein kleiner, links steil abfallender Pfad Richtung Süden. Nach dem Eintauchen in den kühlenden Wald erhob sich nach einigen Minuten zur rechten Seite die imposante felsige Ostflanke der Flue. Etwas weiter oben in der schattigen Felswand entdeckten wir den mit einer Kette gesicherten schmalen Aufstieg. Ans Umkehren dachte ich zwar noch nicht, sollte es aber keinen anderen Weg geben, dann wäre es das wohl gewesen.
Während mein Begleiter die Sache locker anging, schlug mein Puls mit gefühlten 200 Schlägen pro Minute und meine Augen suchten verzweifelt die Umgebung nach einem anderen Aufstieg ab. Und tatsächlich, etwas versteckt weiter hinten bei einer Hecke verschwand ein schmales Weglein im Wald. Es führte uns direkt zwischen Felsen und Waldboden an eine Stelle, wo wir nach leichtem Kraxeln plötzlich oben standen. Geschafft! Die herrliche Aussicht und die unglaubliche Stille raubten uns ebenso den Atem wie der anstrengende Aufstieg. Wir hielten lange inne, bevor wir uns zu einer ausgedehnten Erkundung aufmachten und die mitgebrachten Cervelats auf einer der schönst gelegenen Feuerstellen im Jura brätelten.
Ich hoffe, dass ich sie etwas neugierig gemacht habe. Denn auf diesem schmalen Grat des Gebirgskamms gibt es so vieles zu entdecken. Aber das müssen sie selber herausfinden. Und den Namen der Flue? Ach, den habe ich vergessen.