Aus Niederämter Sicht
Zwischen Gewissensbissen und Stolz

Unsere Kolumnistin beschäftigt sich mit den Erwartungen der Gesellschaft, mit denen sich eine Mutter nach ihrem Mutterschaftsurlaub konfrontiert sieht. Und mit den Vor- und Nachteilen, die eine Kita im Dorf mit sich bringt.

Adriana Marti-Gubler
Adriana Marti-Gubler
Drucken
Vorbereitung auf das Leben: mit anderen Kindern in der Kita spielen. (Symbolbild)

Vorbereitung auf das Leben: mit anderen Kindern in der Kita spielen. (Symbolbild)

Alex Spichale

Mit welchem Pensum wirst du wieder einsteigen? Von wem wirst du dein Kind betreuen lassen? Heutzutage ist die allgemeine Erwartungshaltung, dass eine junge Mutter nach dem (verlängerten) Mutterschaftsurlaub wieder Fuss im Arbeitsmarkt fasst. Das ziemt sich so. Und schliesslich benötigt unsere Wirtschaft Fachkräfte – mehr denn je. Die Baby-Boomer gehen in Pension. Viele Stellen bleiben unbesetzt.

Der Ruf nach mehr Kinderbetreuungsangeboten und familienfreundlichen Arbeitsbedingungen ist schon lange laut geworden. Man ist sich von links bis rechts einig: Wir brauchen mehr Kindertagesstätten, Tagesmütter und Tagesschulen. So haben sich am letzten Abstimmungswochenende die Stadtzürcher Urnengänger mit deutlichem Mehr für die flächendeckende Einführung von Tagesschulen ausgesprochen. Und auch in der Stadt Aarau ist die Einführung von Tagesschulen wohl nur noch eine Frage der Zeit.

Als junge Mutter berufstätig zu sein, hat seine Vorteile. Für mich persönlich sind es die folgenden: Ich leiste meinen Beitrag zur Haushaltskasse. Ich bleibe ein Stück weit unabhängig. Ich sorge für meine Zukunft vor. Ich fühle mich in der Welt abseits von Windeln und Bauklötzen gebraucht. Und ich arbeite ganz einfach gerne.

Trotz all der Vorteile fällt es mir nicht leicht, unseren Sohn einmal wöchentlich um 8 Uhr in der Kita zu lassen. Das schlechte Gewissen begleitet mich durch den ganzen Tag. Geht es ihm gut? Vermisst er sein zu Hause? Ist es egoistisch, seinen beruflichen Bedürfnissen nachzugehen und dafür den Sohn in der Kita betreuen zu lassen?

Kinder, die regelmässig in einer Kita betreut werden, profitieren im Hinblick auf ihre soziale Entwicklung zweifellos vom Umgang mit Gleichaltrigen. Das versichern im Gespräch auch die Eltern von Kita-Kindern. Und doch lässt sich das schlechte Gewissen nicht so einfach abschütteln.

Umso wichtiger ist ein Betreuungsplatz in einer Kita, in die man vollstes Vertrauen hat. Erfreulicherweise hat in Kienberg im August dieses Jahres die Kita Zauberstern ihren Betrieb aufgenommen. Sie deckt verschiedene Betreuungsmöglichkeiten – von Kita über Mittagstisch bis hin zu Hausaufgabenhilfe – ab. Für unser 500-Seelen-Dorf ist ein solches Angebot ein riesiger Gewinn.

Die Kindertagesstätte Zauberstern ist entstanden, weil verschiedene Eltern das Bedürfnis nach Betreuungsmöglichkeiten geäussert haben. Ganz ohne staatlichen Zwang. Untergebracht ist die Kita in der «Handwäbi», einer Liegenschaft im Besitz der Gemeinde. Die Gemeinde kommt der Kita entgegen, indem sie im ersten Betriebsjahr gänzlich auf eine Miete verzichtet und nur die Nebenkosten in Rechnung stellt.

Unser Sohn trifft in der Kita auf viele andere Kinder – auch ältere, bereits schulpflichtige Jungs und Mädchen. Wenn wir durchs Dorf spazieren, wird er von ihnen ganz herzlich begrüsst. In diesen Momenten bin ich mir absolut sicher: Die Kita tut ihm gut. Und natürlich erfüllt es mich mit Stolz, dass er sich so gut eingelebt hat.

Adriana Marti-Gubler ist seit 2017 Gemeindepräsidentin (FDP) von Kienberg.