Aus Niederämter Sicht
Sturm und Hagel haben auch ihre Vorteile

Verena Fallegger
Verena Fallegger
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Patrick Huerlimann

«Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?» dies der Titel des Sommerhits 1975. Rudi Carell wäre dieses Jahr in der Hitparade bestimmt wieder auf dem 1. Platz. Wir alle wünschen uns Sonnenschein und warme Temperaturen.

Als ich klein war – gut ich bin jetzt nicht gross, nur älter – fragte ich: «Warum gwitterets ond haglets?» Mein Grosi gab eine einfache Erklärung: «Wenn der Petrus mit seinen Engeln kegelt, dann blitzt und donnert es. Gibt es aber Streit, dann hagelt es vom Himmel». So wie am letzten Montag im Juli. Potzblitz und Donner haben Menschen und Natur gelitten. Keller und Wohnungen wurden überschwemmt.

Laut der Polizei Kanton Solothurn wurde mit wenigen Ausnahmen das Niederamt besonders stark getroffen. In der Notrufzentrale gingen 60 Meldungen aus Lostorf und 40 aus Trimbach ein. Die Hilferufe aus Schönenwerd waren deren 30 und je 25 aus Niedergösgen, Stüsslingen und Winznau. Die Feuerwehren und Gemeindeangestellten der Werkhöfe rückten aus. An dieser Stelle sei den vielen unzähligen Helfern von Herzen gedankt. Es sind tagelange Einsätze gewesen und manchmal kein Ende in Sicht. Auf den Strassen sieht man heute noch endlos pumpende Feuerwehrschläuche.

Was ich hier schreibe ist «Jammern auf hohem Niveau». Personen sind keine zu Schaden gekommen. Die Häuser stehen noch, zwar nass, feucht und voller Schlamm, aber sie stehen. Jemand hat zu mir gesagt: «Im Vergleich zu dem was in anderen Ländern geschieht, ist dies wie ein Kindergeburtstag.» Na ja, stimmt schon, aber für die hiesigen Betroffen ist das gar nicht lustig und eben doch ein einschneidendes Erlebnis.

Unseren Keller hat es ebenfalls erwischt. Die Feuerwehr musste zwar nicht kommen, aber wir haben auch mehrere Stunden Wasser geschöpft, Sand zusammengewischt, geschrubbt und alles zum Trocknen ins Freie gestellt. Jetzt sieht es beinahe so aus wie vorher.

Doch so eine «Sintflut» hat auch ihre Vorteile. Mann und Frau misten die Keller aus. Wir haben Sachen gefunden, von denen ich gar nicht mehr wusste, dass sie vorhanden sind. Ich fragte mich, «bin ich eine Sammlerin und horte einfach Dinge, die eigentlich schon längstens nicht mehr gebraucht werden?» Bestimmt nicht! Für mich spielen «Nostalgie und Erinnerungen» eine grosse Rolle. Aber auch etwas Romantik ist im Keller verstaut. Schweren Herzens habe ich mich von mehreren Dingen getrennt.

Doch einfach in der «Schutti» entladen? Nein. Die schöneren und unbeschädigten Sachen wurden auf den Garagenplatz gestellt. Es könnten ja sein, dass jemand genau dieses Teil sucht und braucht. Der Vermerk «Gratis mitzunehmen» wirkt Wunder. Innert kurzer Zeit hat jedes Ding einen interessierten Abnehmer gefunden. Grosse und kleine Gegenstände gehen neuen Zwecken und Einsätzen entgegen, oder aber sie werden in einem anderen Keller gehortet.

Nach diesem ergiebigen Niederschlag vom 28. Juli, verbunden mit Wind und Hagel, sah es im Garten etwas anders aus, als sonst. Ich glaube, es hat neue Pflanzengattungen: nämlich Blüten, die mit Fransen versehen und Blätter, die nun gelocht sind. Blumen kriechen nun dem Boden nach. Während ich dies hier schreibe, scheint die Sonne – es regnet mal nicht! Ich erfreue mich an jedem Blümchen, das sich erholt und wieder zu blühen beginnt. Lauthals könnte ich singen: «Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?»

Doch ich kann nicht singen, also lass ich es sein. Denn ich möchte nicht wie der Barde Troubadix gefesselt und geknebelt werden. Denn ich singe ebenso falsch wie er und wenn man falsche Töne von sich gibt, fängt es an zu regnen.

Verena Fallegger ist pensionierte Journalistin und lebt in Schönenwerd.