Es ist doch unsinnig, eine Ungerechtigkeit mit einer anderen Ungerechtigkeit zu kompensieren. Dennoch hat das Stadtgenfer Parlament entschieden, dass Frauen künftig einen 20-Prozent-Rabatt auf die städtischen Freizeitangebote erhalten sollen. Sprich: Jede Genferin – unabhängig von ihrem Einkommen – zahlt künftig einen Fünftel weniger für den Museumseintritt als männliche Kulturinteressierte. Mit dieser Aktion will das Parlament auf die Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau aufmerksam machen.
Das ist reine Symbolpolitik. Die Frauen, die wirklich unter der Lohnungleichheit leiden, werden mit den Vergünstigungen nach dem Giesskannenprinzip wohl kaum erreicht. Die Streuverluste sind riesig. Immerhin: Nationale Publicity ist den Genfern mit diesem Entscheid sicher.
Dieser Genfer Coup erinnert mich übrigens an den Wahlkampf der städtischen SP. Um mehr Frauen ins Parlament zu bringen, wurden damals alle Kandidatinnen doppelt auf der Liste aufgeführt. Natürlich auf Kosten der männlichen Kandidaten. Das schafft neue Ungerechtigkeiten.
Faire und sinnvolle Frauenförderung sieht anders aus. Man könnte sich beispielsweise auf nationaler Ebene das Arbeitsrecht, das aus dem Jahr 1877 stammt, vornehmen. Die gesetzlichen Bestimmungen lassen flexible Arbeitsmodelle nur schwer zu.
Frau kann nicht am Abend vor einem wichtigen Termin, wenn die Kinder im Bett sind, den letzten Feinschliff an ihrem Konzept machen und am nächsten Morgen bereits wieder um 7.00 Uhr auf der Matte stehen. Denn so würde sie die vorgeschriebene tägliche Ruhezeit von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden nicht einhalten.
Mit der Corona-Pandemie hat sich Home-Office fast flächendeckend etabliert. Die Arbeit in den eigenen vier Wänden bietet bei der Betreuung von Kindern oder auch pflegebedürftigen Erwachsenen ganz neue Möglichkeiten.
Frau könnte sich beispielsweise am Sonntagnachmittag, wenn sich der Nachwuchs auf dem Sportplatz austobt, von zuhause aus zwei Stunden ihrer Arbeit widmen. Sonntagsarbeit ist jedoch nur erlaubt, wenn der Betrieb explizit eine Bewilligung dafür hat. Wieder ein gesetzlicher Stolperstein.
Flexiblere Arbeitsmodelle könnten dazu beitragen, dass Frauen Familie und Beruf – natürlich auch Familie und Politik – einfacher unter einen Hut bringen. Sie könnten vielleicht sogar ein höheres Pensum und mehr Verantwortung übernehmen – dies müsste sich entsprechend auch auf den Lohn auswirken. Von einer Revision des Arbeitsgesetzes würden auch die Männer und die ganze Familie profitieren.
Eine stärkere Flexibilisierung birgt auch Risiken – die ständige Erreichbarkeit etwa kann zur Belastung werden. Hier sind die Arbeitgeber jedoch in der Pflicht, verbindliche Regeln zu Telefonzeiten oder auch Bearbeitungsfristen aufzustellen. Die Mitarbeitenden sollen so viel Gestaltungsspielraum erhalten, wie sie ihn gewinnbringend nutzen können.
By the way: Diese Kolumne ist am Sonntagnachmittag entstanden, während unser zwei Monate alter Nino für einen Augenblick friedlich geschlummert hat.
Adriana Marti-Gubler ist seit 2017 Gemeindepräsidentin (FDP) von Kienberg.