Aus Niederämter Sicht
Nebelkinder

Als Kind auf dem Weg in die Schule, im Militär in Aarau: die Nebelgrenze beschäftigt unseren Kolumnisten aus Wisen schon eine ganze Weile. Er verrät eine Möglichkeit, wie man der grauen Suppe für einmal entkommt.

Fabian Bloch
Fabian Bloch
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Oben blau, unten grau: Sonnenaufgang bei Nebel in der Nähe von Ifenthal.

Oben blau, unten grau: Sonnenaufgang bei Nebel in der Nähe von Ifenthal.

Bild: Bruno Kissling

Als Wisner bin ich damit geimpft worden. Früher, als mich noch Adolf Hof und Kari Peier als fixe Chauffeure mit dem Bus nach Olten in die Kanti brachten, war es schon genauso wie heute. In der wunderschönen und farblich einzigartigen Herbstzeit kennen wir alle einen mühsamen Übeltäter. Genau, der grauweisse Nebel.

In dieser Jahreszeit fährt man sehr oft mit Sonnenbrille in Wisen ab, biegt im Adliken Rank links Richtung Olten ab und schwupps, zieht man die Sonnenbrille ab, fährt langsamer und stellt im schlimmsten Fall womöglich noch die Nebelscheinwerfer ein. Gefährlich wurde es dann in Hauenstein, da hing der Nebel sehr dick in der Luft. Und ja, das ändert sich dann bis Olten sicher nicht mehr.

Ich kann mich erinnern, dass es während der Winter-RS in Aarau schon bedrückend sein konnte mit diesem Nebel. Irgendwie arrangiert man sich. Für mich gings. Die Kollegen aus dem Wallis litten da schon mehr. Beim Antrittsverlesen hat Joshua aus Fiesch jeweils die News sowie den Wetterbericht verkündet. Am Schluss beschränkte er den Wetterbericht auf folgenden Standardsatz: «Aarau: kalt, neblig und hohes Regenrisiko. Wallis: sonnig.»

Wisen ist tatsächlich immer noch meist sonnig. Hat es vielleicht deshalb hier so viele Photovoltaikanlagen auf den Dächern? Ich meine gelesen zu haben, dass wir hier eine der grössten Dichten an solchen auf Sonnenenergie ausgerichtete Anlagen haben. Auf jeden Fall bietet der Nebel im Herbst verschiedene atemberaubende Naturschauspiele.

Manchmal schwappt er wie ein grosser Wasserfall knapp über die Froburg und löst sich ins Nichts auf. Spektakulär. Falls der ungewöhnlich seltene Fall eintreffen sollte, dass das kleine Dörfchen trotz Einreiseverbot Besuch vom grauen Riesen bekommt, gibt es immer noch eine Chance auf blauen Himmel und wärmende Sonnenstrahlen.

Gerne verrate ich Ihnen das Geheimrezept. Sie müssen sich nämlich nur gute Schuhe anziehen und dann entweder wie mein Papa in 25 Minuten auf direktem Weg gerade rauf auf den Wisenberg. Es hat alternativ auch einen gemütlicheren sich am Berg hochwindenden Weg mit vielen Bänklis zum Ausruhen. Oben steigt man dann auf einen Aussichtsturm und geniesst, vermutlich, eine beeindruckende Aussicht auf ein riesiges Nebelmeer mit kleinen Inseln. Auf diesen kleinen Inseln stehen sicher auch wieder Menschen, die genau gleich auf das Nebelmeer gucken.

Übrigens, die Aussicht dort oben ist ohne Nebel im Mittelland ebenfalls grandios. Dann schauen Sie über das Niederamt hinweg, sehen viele Dörfer im Baselbiet, die Roche-Türme in Basel, das Jungfraujoch, zwei Kernkraftwerke, Säälischlössli, Gheid …

Als ich in Manchester studierte, haben mich die Einheimischen rechtzeitig im Sommer bereits vor dem grauen Winter gewarnt. Es sei dann wie in einem Tupperware: Unten grau, oben grau und auf der Seite grau. Alles grau. Grau, kühl und nass. Ich musste dann nach vier Monaten die Chance von ein paar freien Tagen effektiv nutzen und bin alleine nach Mallorca geflüchtet. Kaum hatte das Flugzeug abgehoben, schien die Sonne. Ein tolles Gefühl. Beim Rückflug sah ich die graue Suppe schon von weitem. Wir tauchten wieder ein. Aber immerhin war ich sicher, dass es die Sonne noch gab.

Für uns Wisner waren damals die Freunde aus Hauenstein und Ifenthal eben sogenannte Nebelkinder. Kürzlich habe ich auf einem Spaziergang in Hauenstein Bekannte getroffen, die dann im Gespräch freudig erwähnt haben, was für eine schöne Aussicht sie auf das Mittelland und die Alpen hätten. Ja, das hat man dort – wäre nicht dieser verflixte Nebel im Weg. Aber wenn Sie bis hierhin gelesen haben, kennen Sie nun den geheimen Fluchtweg aus dem Nebel.

Fabian Bloch

ist Musiker, spielt Euphonium und liebt das Leben. Er lebt in Wisen.