Aus Niederämter Sicht
Mobil im Niederamt

Unsere Kolumnistin wird oft gefragt, ob sie wirklich viele ihrer Strecken mit dem Velo zurücklegt. Das tut sie, bei Wind und Wetter – und dabei wird sie erst noch glücklich.

Antje Kirchhofer-Griasch
Antje Kirchhofer-Griasch
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Unterwegs mit dem Velo: Unsere Kolumnistin macht das glücklich. (Archivbild)

Unterwegs mit dem Velo: Unsere Kolumnistin macht das glücklich. (Archivbild)

Christian Beutler

Immer wieder werde ich erstaunt gefragt, ob ich bei diesem Wetter, um diese Uhrzeit et cetera tatsächlich mit dem Velo unterwegs sei. Ich geniesse es, jedenfalls meistens, meinen Arbeitsweg so zurücklegen zu können. Frische Luft, etwas Wind um die Ohren, Bewegung, Zeit, den Gedanken nachzuhängen, das tut mir gut.

Ja, ich fahre fast immer Velo, manchmal Bus oder S-Bahn, manchmal mit einem Carsharing-Auto und manchmal nimmt mich jemand mit dem Privatfahrzeug mit. Hauptsache, ich komme von A nach B. Für mich ist das Velo die schnellste und bequemste Art, von Aarau nach Schönenwerd zu kommen.

Aktuell wird viel über Effizienz gesprochen. Energieeffizienz ist bei einem möglichen Mangel und hohen Preisen top aktuell. Auch aus Gründen der Nachhaltigkeit ist die optimale Nutzung von Ressourcen sehr wichtig.

Für die Nachhaltigkeit spielt als zweiter Pfeiler auch die sogenannte «Konsistenz» eine zentrale Rolle. Dabei geht es nicht darum, für das gleiche Ziel weniger Energie zu verbrauchen («Effizienz»), sondern sie aus nachhaltigen, erneuerbaren Quellen zu beziehen, also zum Beispiel Solar- oder Windenergie.

Der dritte Pfeiler ist die «Suffizienz». Das ist der einfachste und zugleich auch auf eine Art der schwierigste Teil. Es geht um die Verringerung des Ressourcenverbrauchs durch weniger Nachfrage, also durch eine Anpassung des Konsumverhaltens.

Ich zum Beispiel besitze kein Auto, auch kein energieeffizientes oder eines das im Sinne der Konsistenz mit Solarstrom fährt. Ich geniesse meine Velofahrten. Und ich verzichte nicht auf ein Auto. Verzichten bedeutet, einen Anspruch, den man auf irgendetwas hat, nicht mehr länger geltend zu machen, oder nicht mehr länger auf etwas zu bestehen. Ich habe aber gar keinen Anspruch auf ein eigenes Auto, also verzichte ich auch nicht darauf. Zum Glück muss ich nicht auf Mobilität verzichten! Die ist mir ein Bedürfnis.

Ein anderes Beispiel: Ich verzichte nicht auf Fleischkonsum. Ich habe keinen Anspruch darauf, also verzichte ich auch nicht. Zum Glück muss ich nicht auf gutes und gesundes Essen verzichten! Das ist mir ein Bedürfnis.

Zurück zum Velo. Ich brauche kein Auto. Ein Auto würde mein Alltagsleben sogar verkomplizieren. Würde ich an einem anderen Ort wohnen oder arbeiten, sähe das vielleicht ganz anders aus.

Ohne eigenes Auto zu leben kann Teil eines suffizienten Lebensstils sein. Suffizienz kann auch mit Genügsamkeit umschrieben werden. Sie setzt nicht bei technischen Lösungen an, sondern beim Verhalten von jedem und jeder Einzelnen. Ziel ist, weniger Ressourcen zu verbrauchen und dabei gleichzeitig zufrieden zu sein. Klingt eigentlich bestechend einfach, ist es mindestens theoretisch auch.

Niemand möchte etwas verboten bekommen und verzichten möchte man auch nicht. Das geht mir genauso. Wenn ich aber gar nicht davon ausgehe, dass ich das Recht auf etwas bestimmtes habe, kann das für mich den Fokus vom Verzicht weg und auf die Zufriedenheit hin lenken. Dann kann ich mich fragen: Wie lebe ich gut? Was sind meine tatsächlichen Bedürfnisse?

Effizienz ist natürlich wichtig, Konsistenz auch. Aber den Faktor Suffizienz, den habe ich in der Hand! Ich kann etwas zur Bewahrung der Schöpfung beitragen. Für mich hat sich dazu eine einfache Frage bewährt: «Brauche ich das wirklich oder macht es mich wirklich glücklich?»

Meine Antwort für meinen Alltag ist ganz klar: Mobilität ja, Auto nein. Mein Velo brauche ich wirklich und zusätzlich macht es mich wirklich glücklich.

Antje Kirchhofer-Griasch lebt in Aarau. Sie ist Pfarrerin in der christkatholischen Kirchgemeinde Schönenwerd-Niedergösgen.