Obwohl die Vorweihnachtszeit schon lange der Vergangenheit angehört, freue mich jeweils schon vorher sehr darauf. Dies aber keinesfalls wegen dem grossen Rummel rund um Festtage, sondern weil jeweils zu Beginn der Feiertage meine langersehnten Früchte im Handel erhältlich sind. Letztes Jahr gab es diese allerdings erst ziemlich spät zu kaufen. Sie sind rund, haben eine gelb-rötliche Farbe und die Schale lässt sich manchmal nicht ganz leicht entfernen.
Schon als kleiner Junge liebte ich diese süsssauren Dinger. Vermutlich habe ich diese Leidenschaft von meiner Mutter geerbt, mit der ich einige gemeinsame kulinarische Vorlieben teile. Die Köstlichkeiten stammen unter anderem aus Sizilien, eine Insel übrigens, die auch zu meinen Lieblingsdestinationen gehört. Dort schmecken die frischgepressten Zitrusfrüchte eh am besten. Sie haben es in der Zwischenzeit bestimmt erraten. Ja genau, es handelt sich um Blutorangen, eine Kreuzung aus Orangen und Pampelmusen.
Die Grapefruits stammen von den Pampelmusen ab. Zwischen den beiden Früchten gibt zwei wesentliche Unterschiede. Während Blutorangen ihre Färbung durch die grossen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht bekommen, färben sich Grapefruits ausschliesslich bei hohen Temperaturen. Was den Geschmack betrifft, sind Blutorangen etwas süsslicher als Grapefruits.
Der Geschmack der Blutorangen fasziniert mich. Die Mischung zwischen Orange und Zitrone ist erfrischend, belebt die Sinne, ist reich an Vitamin C, zeichnet sich als hervorragender Durstlöscher aus und eignet sich pur oder als Zutat zu sehr vielen Speisen und Getränken. Als reinen Saft mag ich die Frucht eigentlich am liebsten. Obwohl meine kleine Saftpresse mittlerweile wie eine alte Katze miaut, wenn ich eine Fruchthälfte oben auf die Raffel zum Ausdrücken ansetze, um an den flüssigen Teil zu gelangen, hat sie bis heute ihren Dienst ohne Versagen geleistet. Es müssen hunderte von Orangen gewesen sein, welche wir zusammen ausgequetscht haben.
Der Saft eignet sich aber auch hervorragend als Beilage in der Salatsauce oder als Zutat beim Currygeschnetzelten. Diese süsssaure Note verleiht jedem Gericht einfach einen speziellen Kick. Besonders passend ist das köstliche Nass als Zugabe beim Jamu, einem scharfen, immunstärkenden Drink aus Indonesien. Er wird mit Kurkuma, Ingwer und Limetten als Grundzutaten zubereitet. Meinem persönlichen Rezept füge ich beim Aufkochen noch Zitronengras, eine Zimtstange und etwas Palmzucker bei. Zu guter Letzt wird dann der stark gelbleuchtende Jamu mit zwei frisch gepressten Blutorangen verfeinert. Kalt oder heiss getrunken schmeckt dieses Powergetränk zu jeder Zeit.
Im Moment häufen sich die Blutorangen bei mir zuhause und es gibt eine bescheidene Auswahl von verschiedenen Typen wie Tarocco, Sanguinello und Moro. Letztere dürfte die Bekannteste sein. Es werden aber alle am Fusse des Ätna auf Sizilien angebaut. Je nach Höhenlage finden sie exakt ihr Lieblingsklima, das durch intensive Sonnenstrahlung und kalte Nächte nahe der Frostgrenze gekennzeichnet sind. Gewiss liegt auch ein Zusammenhang mit dem fruchtbaren Boden aus verwitterter Basalt-Lava des Vulkans vor. Neben der grossen Freude an diesen Zitrusfrüchten gilt es aber auch bei der Behandlung und Lagerung einiges zu beachten. So sind sie sehr druckempfindlich und beginnen an solchen Stellen schnell zu faulen oder schimmeln.
Deshalb lagere ich sie immer auf einer weichen Unterlage mit einem Küchentuch an einem kühlen Ort. Ein paar Stunden vor dem Gebrauch hole ich die Orangen an die Wärme, denn bei Zimmertemperatur entfalten sie ihr volles Aroma am besten. In einigen Wochen muss ich dann wieder die Früchteabteilungen der Grossverteiler auf den Kopf stellen, um die letzten Blutorangen dieses Jahres zu ergattern. Danach folgt die Wartezeit aber auch die Vorfreude auf die neue Saison. Und die Vorfreude soll ja bekanntlich die schönste Freude sein, auch wenn sie süsssauer ist.
Thomas Vogt ist Geschäftsführer Vogt AG für Verbindungstechnik und lebt in Lostorf.